Die Kriegerin der Kelten
hatte, was diesen Zorn gegen ihn wohl heraufbeschworen haben mochte. Er hatte auch keine Kraft mehr, um zu verkünden, dass er ganz einfach erschöpft war und sich nicht mehr in der Lage dazu fühlte, nun vor Tausenden von Fremden ein langwieriges Streitgespräch über die weitere Vorgehensweise im Kampf gegen die Neunte Legion zu beginnen. Die Schlacht war doch gerade erst vorüber, war gewonnen, und noch immer erfüllte das klagende Flüstern der Toten die Ebene zwischen Himmel und Erde. Valerius holte tief und geräuschvoll Luft und verpasste dadurch den ersten Teil von Breacas kurzer Rede.
»... ist überzeugt, dass er mit einer Handvoll von Bärinnenkriegern das Nachtlager von Cerialis stürmen könnte.«
»Was?« Zu spät begriff Valerius den Sinn hinter diesen Worten. »Wer?«
»Cunomar, wer denn sonst?«
Dann war Breaca also wütend auf Cunomar und nicht etwa auf ihn, Valerius. Er gab es zwar nur höchst ungern zu, doch lächerlicherweise versetzte ihn die Erleichterung über diese Entdeckung in einen wahren Freudentaumel, sodass ihm abermals ganz schwindelig wurde.
»... und das schon, seit die Eiche niederstürzte und die Legionare einkesselte. Ardacos glaubt also, dass Cunomar seine Bärinnenkrieger um sich geschart hat und mit ihnen seitlich entlang des Pfads auf das Nachtlager zugeschlichen ist, um es anzugreifen, sobald die Nacht sich über das Land gelegt hat. Das wäre im Übrigen eine der Heldentaten, von der die Bärinnenkrieger schon seit langem künden, wenn sie sich im Winter um ihre Feuerstellen versammeln. Sie singen davon, wie sie sich auf den Adler der Legionen stürzen. Und das Ganze unter dem segnenden Kuss von Nemains Mond.«
Valerius stellte in diesem Augenblick fest, dass ihm vor Erstaunen über Cunomars Heldenmut regelrecht der Unterkiefer heruntergeklappt war. Rasch schloss er die Lippen wieder. Als ihm aufging, dass man eine Antwort von ihm erwartete, entgegnete er ehrlich verwundert: »Dann ist Cunomar also tatsächlich fest dazu entschlossen, zu beweisen, dass er ein besserer Anführer wäre als ich, nicht wahr? Aber was sagen die Lieder denn eigentlich über den Ausgang dieses Irrsinns? Falls sie nämlich davon künden, dass auch nur ein Einziger der Bärinnenkrieger auch noch den Morgen nach seinen Großtaten erlebt, sind diese Lieder von Anfang bis Ende nichts anderes als eine dumme Lüge.«
Valerius hätte damit gerechnet, dass Breaca spätestens an dieser Stelle seiner Gegenrede der Geduldsfaden reißen würde, was ihm, im Nachhinein betrachtet, eigentlich sogar sehr recht gewesen wäre. Denn mit einem unbeherrschten Emotionsausbruch vor aller Augen hätte seine Schwester sich nur allzu rasch selbst den Wind aus den Segeln genommen. Doch noch während Valerius sich im Inneren gegen Breacas wütenden Ansturm wappnete, sah er bereits, wie sie ihm zulächelte und langsam den Kopf schüttelte. Erst in diesem Augenblick begriff Valerius, wie viel er noch über Breaca würde lernen müssen.
»Aber natürlich lügen die Lieder, das ist doch bei allen Liedern so. Aber wenn wir auch nur einem Einzigen der Bärinnenkrieger das Leben retten wollen, dann musst du jetzt die Bataver um dich scharen. Und nimm auch noch einige Krieger mit - am besten genauso viele, wie es noch an verfügbaren Pferden gibt, damit jeder ein Reittier hat. Und dann reitest du schnellstens zurück in das Nachtlager. Dort müsst ihr Cunomar entweder von seinem Vorhaben abbringen... oder aber ihm in seinem Kampf zur Seite stehen. Könntest du auch das noch auf dich nehmen? Wirst du auch diese Aufgabe noch bewältigen?«
Cunomar wagt zu viel zu schnell , war Valerius’ einziger Gedanke in diesem Moment. Ein rascher Blick in Breacas Gesicht verriet ihm, dass auch sie das so sah. »Ich kann ihm zur Seite stehen, Breaca, aber ich kann ihn nicht aufhalten«, lautete Valerius’ Antwort, laut genug, dass alle ihn hören konnten. »Nur du kannst ihn von seinem Vorhaben abbringen.«
Breaca zuckte traurig mit den Achseln, und erst jetzt erkannte Valerius, dass ihr scheinbarer Zorn im Grunde eher eine Art kummervolle Frustration war, die sie nun nach innen und gegen sich selbst richtete. Gegen ihre Seele und gegen ihren Körper, der ihr noch immer nicht so gehorchen wollte, wie sie es sich erhofft hatte.
»Das Überleben des Kriegsheers wiegt in diesem Fall schwerer als die Träume und der Ehrgeiz eines einzelnen Kriegers«, entgegnete Breaca und trat damit einen Schritt von Valerius zurück. Noch etwas lauter,
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