Die Kriegerin der Kelten
zurückreiten, um noch vor Anbruch der Dunkelheit in Cerialis’ Lager anzukommen.«
Mittlerweile ging Valerius’ Atem wieder etwas ruhiger. Sein zerzaustes Haar war ihm bis über die Brauen gefallen, wo Schweiß und das Blut fremder Männer es festgeklebt hatten. Nachdenklich strich er sich die Strähnen aus dem Gesicht, wobei seine Finger gleichmäßige, blutrote Bahnen auf seiner Stirn hinterließen. Trotz seiner Erschöpfung brach er zu seiner eigenen Verwunderung nun in ein müdes Lachen aus.
»Nein, da bin ich leider ganz und gar anderer Ansicht, alter Mann. Wir erproben hier doch nur unsere jungen Krieger. Und zwar in der Hoffnung, dass sie noch möglichst lange überleben sollen. Darum schicken wir sie jetzt gewiss nicht in Cerialis’ Lager und damit in den sicheren Tod, egal, wie ruhmreich das auch gewesen wäre.«
Civilis schüttelte nur ungläubig den Kopf. »Valerius, dies ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um zu scherzen. Wir müssen wieder aufbrechen. Jetzt.« Damit ließ er sein Pferd herumwirbeln. Rasch drängte Valerius den Hengst mit den weißen Fesseln quer über den Pfad, sodass er Civilis’ Tier den Weg versperrte. Das Gesicht des Bruders der Bodicea war ernst, kein versöhnliches Lächeln erhellte mehr seine Züge. Schwer legte er eine Hand auf die Zügel von Civilis’ Pferd.
»Nein.«
»Ich verstehe noch immer nicht.« Der alte Mann runzelte die Stirn. »Willst du Petillius Cerialis denn noch gemütlich eine Nacht lang in seinem Lager Kraft schöpfen lassen und erst am nächsten Morgen angreifen? Und dafür sollen wir den gesamten Nachmittag über gekämpft haben?«
Die brüchige alte Stimme krächzte in unmelodisch hohen Tönen, fast schon wie die einer Krähe. Und auch andere hatten seine Worte gehört, das hatte sich bei der Lautstärke dieser kurzen Unterredung nicht vermeiden lassen, sodass nun noch einige mehr als bloß Civilis auf Valerius’ Antwort warteten.
Nachdem er im Stillen einen lästerlichen Fluch ausgestoßen hatte, hob Valerius die Stimme. »Das Ziel der Schlacht an diesem Nachmittag war, die Reihen der Neunten Legion um mindestens die Hälfte zu dezimieren. Und dieses Ziel haben wir fast erreicht, denn wenigstens eine der drei Kohorten wurde komplett vernichtet. Morgen früh werden wir erst mal abwarten. Dann, wenn Cerialis das Lager wieder verlässt, schlagen wir auf die gleiche Weise zu. Und vielleicht werden wir dabei sogar noch mehr Erfolg haben, nun, da wir ja immerhin schon eine halbe Kavallerie sind. Was wir jedoch nicht tun werden, ist, nun das befestigte Lager eines Mannes anzugreifen, der sich bereits einen Namen gemacht hat durch sein Geschick, den Feind durch Belagerungen in die Knie zu zwingen - und dies unabhängig davon, ob Cerialis den Feind belagerte oder aber ob der Feind Cerialis zu belagern versuchte. Denn stets ging Cerialis als Sieger hervor. Nein, für ein solches Wagnis haben wir jetzt einfach noch nicht genügend...«
»Valerius.« Leise, doch eindringlich wandte Longinus sich an seinen Kameraden. Die Menge teilte sich unterdessen, Männer und Frauen wichen auseinander, um eine kleine Gruppe hindurchzulassen.
»... Krieger. Den selbstmörderischen Ehrentod muss ich ihnen also leider versagen. Und ich will auch nicht die eine Hälfte der Bataver ohne jegliche Unterstützung gegen die andere schicken. Henghes ist schließlich ein sehr geschickter Feldherr. Vor allem aber besteht eine gewisse Chance, dass auch die noch im Lager verweilenden Bataver sich unserer Sache anschließen könnten. Das heißt, sofern wir ihnen überhaupt die Möglichkeit dazu bieten. Und angenommen, wir hätten dann tatsächlich einen kompletten Flügel von Batavern zusammen, um uns mit denen gegen die noch übrig gebliebenen Kohorten der Neunten zu wenden - nun, das wäre doch ein enormer Vorteil. Und zwar für uns alle. Falls die Reste der Neunten dann überhaupt noch den Mut aufbringen sollten, es mit uns aufzunehmen...«
»Julius, es ist deine Schwester.«
Nun musste Valerius sich doch einmal umdrehen. Rechts von ihm stand Breaca, links Longinus, Letzterer mit sorgenvollem Ausdruck auf dem Gesicht. Natürlich hatte Valerius schon die ganze Zeit über gewusst, dass Breaca da war. Er hatte es schon geahnt, noch ehe die Menge sich teilte. Doch er hatte jetzt keine Zeit, um zu erklären, woher er dies wusste, und er konnte nun auch nicht vor aller Ohren erläutern, dass er bereits spürte, dass sie wütend auf ihn war und dass er nicht die geringste Ahnung
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