Die Kristallhexe
Laura stehen und konzentrierte sich, wie es ihr Arun gezeigt hatte. Schwindel überkam sie, als sie auf einmal auf zwei Beinen stand und der Fußboden erschreckend weit entfernt war. Sie taumelte und stützte sich an einer Wand ab. Die anderen verwandelten sich ebenfalls zurück. Yevgenji stolperte und wäre wohl gestürzt, wenn Spyridon ihn nicht festgehalten hätte. Naburo tastete nach den beiden Schwertern, die er am Rücken trug, um sich zu überzeugen, dass sie die Verwandlung überstanden hatten.
»Ich werde diese Erfahrung nicht noch einmal machen«, sagte er. »Wir waren dahinten vor dem Tor völlig wehrlos.«
»Aber wir sind da, wo wir sein wollten«, gab Laura zurück, während sie eine Öllampe aus einer Wandhalterung nahm und damit in den Gang leuchtete. »Jetzt müssen wir nur noch Alberich finden.«
»Und Angela«, sagte Felix.
»Ja, und sie.« Laura schämte sich, weil sie nicht selbst an Felix’ Frau gedacht hatte. »Hat jemand eine Idee, wie wir das anstellen können?«
Selbst wenn es in dem Palast keine feindlich gesinnten Soldaten gegeben hätte, die Felix möglicherweise erkannten, wäre es unmöglich gewesen, ihn systematisch zu durchsuchen. Das Gebäude war zu groß, und möglicherweise waren nicht alle Bereiche ohne Magie zugänglich.
»Wir nehmen einen Sklaven gefangen und befragen ihn, bis er uns die Wahrheit sagt«, schlug Naburo vor. Er betonte das Wort befragen auf eine Weise, die Laura nicht daran zweifeln ließ, dass er in Wirklichkeit Folter meinte.
»Vielleicht etwas weniger Drastisches?«, fragte sie. Ihre Finger begannen mit dem Dolch Girne zu spielen, der in ihrem Gürtel steckte. Möglicherweise war Alberich nur einige Räume entfernt von ihr, vielleicht würde sie ihm schon bald begegnen. Der Gedanke war aufregend und erschreckend zugleich.
Yevgenji rieb sich seinen schmalen Bart. »Da gibt es einen Zauber, den wir versuchen könnten«, sagte er langsam. »Dass dieser Palast voller Soldaten und Diener ist, wäre in diesem Fall sogar von Vorteil, denn wir würden in ihre Köpfe hineinsehen.«
»Natürlich.« Spyridon schlug sich mit der Faust in die offene Handfläche. »Dadurch können wir den Bereich, in dem er sich aufhält, eingrenzen.«
Laura runzelte die Stirn. »Ihr wollt Gedanken lesen?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das so einfach war.
»Nein.« Yevgenji schüttelte den Kopf. »Wir fragen Erinnerungen ab. Das ist, als würde dir jemand ins Ohr flüstern: Wo hast du Alberich zuletzt gesehen? Du denkst automatisch daran, sagst es möglicherweise sogar. In deinem Kopf entsteht ein Bild. Wenn wir genügend Menschen finden, die ihn gesehen haben, können wir das Bild zusammensetzen und ihn finden.«
»Es müssen Menschen sein«, fügte Spyridon hinzu. »Sie sind als Einzige so leicht zu manipulieren.«
»Könnt ihr damit auch nach Angela suchen?«, fragte Felix.
»Nein, dann würden sich die Bilder widersprechen.« Yevgenji hob bedauernd die Schultern. »Entweder Alberich oder Angela, beide zusammen geht nicht.«
Laura biss sich auf die Unterlippe. Sie hätte die beiden Elfen bitten können, nach Angela zu suchen, und vor ein paar Wochen hätte sie das vielleicht sogar getan. Aber mittlerweile nicht mehr. Milt hatte recht; sie war nicht mehr dieselbe Person wie früher.
»Sucht ihn«, sagte sie. Felix wandte sich enttäuscht ab.
Die beiden Todfeinde murmelten leise Worte und gestikulierten. Sie standen sich gegenüber, während Naburo und Laura den Gang bewachten. Nach einer Weile entstand ein winziger, flackernder Funke zwischen ihnen. Langsam stieg er bis zur Decke empor und schoss in den Gang hinein. Einen Lidschlag später war er verschwunden.
»Und jetzt warten wir», sagte Spyridon.
Der Funke flog durch den Palast, vorbei an Echsensoldaten und Elfendienern. Er fand einen Sklaven, der auf dem Boden hockte und die Steine schrubbte, und hielt neben seinem Ohr inne. »Wo ist Alberich?«, flüsterte er, doch die Erinnerung des Mannes blieb leer. Ein anderer hauchte: »Im Thronsaal« und sah im nächsten Moment stirnrunzelnd auf, weil er nicht wusste, weshalb er das gesagt hatte.
Der Funke verließ ihn und fand ein Mädchen, das sich unter einem Treppenabsatz vor der Köchin versteckte. »Wo ist Alberich?«
Das Mädchen wusste es nicht, die Köchin, die über ihm die Treppe hinunterstieg, jedoch schon. »Im Gang nahe Angelas Gemächern.«
Weiter flog der Funke, stellte ohne Ungeduld und ohne Eile immer wieder seine Frage.
»In Angelas
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