Die Kristallhexe
dass er traurig war.
»Ich bin dafür, Simon zu helfen«, sagte Peddyr nach einem Moment. »Und es stört mich nicht, wenn es gefährlich wird.«
»Wird es nicht.«
Nun nickten auch Ciar und Duibhin. Im Gegensatz zu Peddyr sehnten sie sich nicht nach Abenteuern, hatten vielleicht, als sie mit ihren Familien vor Alberichs Schergen flohen, mehr als genug Gefahren durchgestanden. Sie sprachen nie darüber, und Luca fragte nicht.
»Okay«, sagte er. Mittlerweile wussten seine Freunde, was das Wort bedeutete. »Dann lasst uns mal einen Plan ausarbeiten. Simon sagte, er würde sich größtenteils bei den Menschenhütten aufhalten, also sollten wir uns um den Platz verteilen.«
Er sprang vom Stein und malte die Positionen der Hütten mit dem Finger in den feuchten Ufersand. Die anderen gesellten sich zu ihm, sogar Marcas tauchte wieder auf. Dann erklärte Luca, wie er sich das Überwachungssystem vorstellte.
»Und wir brauchen natürlich einen Namen für uns«, sagte er schließlich. »Was haltet ihr von Adlerklauen ?«
Die anderen warfen sich kurze Blicke zu. Luca dachte, sie verstünden den Namen nicht, und fügte hinzu: »Ihr wisst schon, weil Adler echt gut sehen können und schnell zuschlagen.«
»Du hast doch gesagt, es wird nicht gefährlich.« Ciar neigte den Kopf und sah ihn aus stechenden schwarzen Augen an.
»Wird es auch nicht, aber es klingt cool, oder?«
»Na ja.« Duibhin wirkte nicht überzeugt.
»Dann macht einen besseren Vorschlag.«
Sie schwiegen, sahen auf den Fluss hinaus oder in den Himmel. Niemand schien zu wissen, was er darauf antworten sollte. Plötzlich zuckte Duibhin zusammen. »Marcas hat gerade zu mir gesprochen«, sagte er überrascht.
»Warum spricht er denn nicht laut?«, fragte Luca.
»Er hat vor ein paar Tagen damit aufgehört. Das ist nichts Neues bei ihm - mal tut er so, als könne er sich nur mit dem Geist verständigen, mal spricht er normal.«
Der Krakenjunge trieb scheinbar unbeteiligt im Wasser und bewegte seine Tentakel nur, um an der Oberfläche zu bleiben.
»Und?«, fragte Luca.
»Er versteht nicht, weshalb wir uns einen Namen geben wollen, wenn wir doch schon einen haben.«
Peddyr nickte langsam. »Er hat recht.«
»Missgeburten?« Luca verzog das Gesicht. »Aber das passt doch nicht, weil ich ...«
... auch mit dabei bin und keine Missgeburt bin, wollte er sagen, aber im letzten Moment wurde ihm klar, wie brutal das geklungen hätte.
Die anderen begriffen trotzdem, was er sich verkniffen hatte. Zu seiner Erleichterung lachten sie.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Peddyr. »Irgendwer irgendwo findet dich bestimmt hässlich.«
Er sah die anderen an. »Dann beschließen wir, dass Luca ab jetzt ebenfalls eine Missgeburt ist, okay?«
Peddyr war der Einzige, der das fremde Vokabular nicht nur übernommen hatte, sondern es zudem meist fehlerfrei einsetzte.
Die anderen nickten.
»Damit bist du eine Missgeburt.« Peddyr streckte die Hand aus.
Luca ergriff und schüttelte sie. Zu Hause hätte er wohl niemandem erklären können, wieso es ihn so freute, eine Missgeburt genannt zu werden, doch zum ersten Mal seit langer Zeit, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, fühlte er sich aufgenommen und verstanden. Er gehörte dazu.
Felix war müde. In letzter Zeit brachte er kaum noch die Energie auf, morgens das Bett zu verlassen und seinen Arbeitsdienst auf dem Feld anzutreten. Er tat sein Bestes, um sich nichts anmerken zu lassen, aber selbst die Flüchtlinge, die an seiner Seite Unkraut jäteten und Bewässerungsgräben aushoben, fragten ihn ab und zu, ob alles in Ordnung sei.
Nein, wollte er dann immer sagen. Nichts ist in Ordnung. Meine Frau wurde entführt, und ich breche darüber zusammen.
Doch er nickte nur, wenn die Frage gestellt wurde, lächelte und arbeitete weiter.
Wenn er wenigstens genügend Kraft gehabt hätte, ein guter Vater zu sein, hätte er sich die Stunden, die er manchmal damit verbrachte, die vorbeiziehenden Wolken am Himmel anzustarren, verziehen, aber selbst darin versagte er ohne Angela.
Luca nahm ihn schon lange nicht mehr ernst. Vielleicht hatte es ihn deshalb so gefreut, dass der Junge nach seiner Begegnung mit Rimmzahn zu ihm gekommen war und nicht direkt Cedric oder Jack auf gesucht hatte. Eine Weile hatte sich Felix gefühlt, als brauche man ihn. Das hatte ihm die Kraft gegeben, seinem Sohn zuzuhören und die richtigen Schritte zu unternehmen.
Doch nun sackte er wieder in seine Lethargie zurück. Er saß auf dem Bett in
Weitere Kostenlose Bücher