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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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war.
    Anfangs hatte sie versucht, erneut einen Blick auf Laura zu werfen, doch das war ihr nicht gelungen. Dafür hatte sie andere, seltsame Bilder gesehen, die keinen Sinn ergaben. Schafe, die vor dem Palast Morgenröte weideten, und einen Schäfer, den sie nur von hinten sah und der die Tiere mit seinem Stock hütete. Sie konnte sich nicht erklären, warum der Kristall ihr diese Szene zeigte, aber sie vermutete, dass es an ihrer fehlenden Kontrolle über die Magie lag. Ähnlich wie bei dem Turm, dem sie nicht immer erfolgreich vermitteln konnte, was sie von ihm wollte, musste sie in der Magie ebenfalls erst lernen, wie sie ihre Gedanken formulieren musste.
    Es war ihr immer noch nicht gelungen, trinkbaren Tee zu bekommen. Mittlerweile standen sechs leere Tassen - den Inhalt hatte sie aus dem Fenster geschüttet - neben ihr; um Kaffee zu bitten, hatte sie nicht gewagt. Im Vergleich dazu war es fast schon erschreckend einfach gewesen, die Kristalle zum Schweben zu bringen. Sie hatte so viele Filme gesehen, in denen Ähnliches geschah, dass die Bilder klar in ihrem Geist erschienen. Trotzdem hatte sie beinahe vor Überraschung geschrien, als der rote Kristall sich von der Tischplatte erhob und trudelnd wie ein Hubschrauber in einer Sturmböe nach oben stieg.
    Angela stellte fest, dass nicht nur die Kristalle, sondern auch Gesten dabei halfen, ihre Magie zu fokussieren. Wenn sie die Hand nach rechts bewegte, schwebte der Kristall ebenfalls nach rechts, wenn sie den Zeigefinger drehte, begann er zu rotieren.
    Beim zweiten Kristall musste sie sich kaum konzentrieren. Mühelos hob sie ihn in die Luft. Ich könnte das ganze Planetensystem nachbauen und Alberich damit überraschen , dachte sie. Es war verführerisch, sich vorzustellen, wie er nach dem langen Tag in der Bibliothek das Zimmer betrat und mit offenem Mund auf das starrte, was sie erschaffen hatte. Angela war sich sicher, dass er sein Verbot vergessen würde, wenn er erst einmal sah, wie gut sie ihre Magie bereits beherrschte.
    Sie konzentrierte sich auf den nächsten Kristall, aber als sie ihn anheben wollte, taumelte sie plötzlich. Schwäche erfasste sie, zwang sie dazu, sich mit beiden Händen auf der Tischplatte abzustützen und die Augen zu schließen. Ihre Knie zitterten, kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn.
    Ich habe es wohl doch übertrieben.
    Tief atmete sie durch, bis das Zittern nachließ und der Schwindel verschwand. Als Angela die Augen wieder öffnete, hingen die beiden Kristalle nach wie vor in der Luft, der dritte hatte sich nicht bewegt.
    »Schluss für heute«, sagte sie langsam. »Die Überraschung muss warten.«
    Nach den Plänen des Planetensystems erschienen ihr die beiden schwebenden Kristalle lächerlich. Sie glaubte nicht, dass sie Alberich beeindrucken würden. Müde ließ sie den blauen Kristall in ihrer Hand auf den Tisch rollen. Im gleichen Moment fiel der gelbe herunter, doch der rote drehte sich langsam weiter.
    Angela runzelte die Stirn. Sie nahm den blauen Kristall in die Hand und dachte angestrengt: Fall herunter.
    Nichts.
    Sie legte den Kristall auf den Tisch und trat einen Schritt zurück. Ihr von Realitäten fernab der Magie konditionierter Verstand betrachtete die Kräfte in ihr wie eine Energiequelle, die Dinge antrieb, sie aber auch zum Stehen brachte, sobald die Verbindung zwischen Quelle und Objekt gekappt wurde. Doch der rote Kristall drehte sich, obwohl er Angelas Meinung nach nicht mehr mit Magie versorgt wurde.
    Vorsichtig streckte sie die Hand aus und berührte ihn mit den Fingerspitzen. Er war warm wie die Haut eines Menschen und hart wie Diamant. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne, die durch das Fenster in den Raum schienen, brachen sich in seinen Facetten. Er war nicht so rautenförmig wie der blaue, sondern spitzer und unebener. Angela fragte sich, ob er die Magie vielleicht irgendwie speicherte und von selbst herunterfallen würde, wenn der Vorrat aufgebraucht war.
    Was bedeutete, dass Alberich ihn möglicherweise sah, was sie in Erklärungsnöte bringen würde.
    Sie tippte mit dem Finger gegen den Kristall. »Fall schon runter!«, sagte sie leise, aber er schwang nur zweimal hin und her, bevor er sich wieder stabilisierte. »Komm schon!«
    Angela legte ihre Hand auf die Spitze des Kristalls, um ihn hinunterzudrücken. »Au!«, stieß sie hervor, als die Spitze in ihre Handfläche stach. Aber er hatte sich bewegt, das hatte sie gespürt. Einen Moment lang sah sie sich unsicher im Zimmer um, dann

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