Die Kristallhexe
der Kraft ihrer Magie herbeigewünscht hatte, doch dann sah sie die harte, schwielige Männerhand, die ihn festhielt.
Sie drehte den Kopf. Neben ihr stand Marcus Julius Secundus in seiner römischen Rüstung. Er ließ den Knüppel langsam sinken und sah sie an, während sie hastig den seidenen Morgenmantel zusammenzog. »Du solltest vorsichtiger sein«, sagte er.
»Ich weiß.« Und dann, als ihre Gedanken klarer wurden, fügte sie hinzu: »Du hast mir das Leben gerettet.«
Er antwortete nicht darauf, wandte sich nur ab und legte den Knüppel auf den Tisch. Solange er den Kopf gesenkt hielt, konnte man die Wunde in seinem Hals nur erahnen.
Mit einem Fuß trat er den Schwelbrand im Teppich aus, dann ging er zum Fenster.
»Bitte erzähle Alberich nichts davon«, sagte Angela. Sie bemerkte, dass sie den Stuhl immer noch hochhielt, und stellte ihn ab. Ihre Hände zitterten.
Marcus Julius Secundus blieb stehen. »Tratschen gehört nicht zu meinen Aufgaben.«
Sie wollte sich bei ihm bedanken, doch bevor sie den Mund öffnen konnte, wurde seine Gestalt bereits durchscheinend und verdunkelte sich. Als Schatten glitt er durch das Fenster und verschwand.
»Danke!«, rief sie ihm trotzdem nach. Sie schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. Erst als sie sie wieder öffnete, bemerkte sie das Chaos, das der Kristall angerichtet hatte. Der angesengte Teppich, die Kratzer in Wänden und Decke, die zertrümmerten Tassen.
»Turm«, sagte sie. »Räum hier auf!«
Nichts geschah. Der Turm ignorierte sie.
Angela seufzte. »Turm, gib mir einen Besen!«
8
In geheimer
Mission
L uca fand seine Freunde am Flussufer wie jeden Tag. Peddyr hockte auf einem Ast und behielt die Umgebung im Auge. Er hatte einen menschlichen Oberkörper, doch die muskulösen kurzen Beine eines Greifvogels. Seine langen Krallen hatte er tief in den Baum geschlagen.
Ciar, der Junge mit der schieferschwarzen Haut, die hart wie Baumrinde war, saß auf einem Felsen und angelte. Der krakenförmige Marcas, der im Fluss lebte, versuchte, Fische auf ihn zuzutreiben, doch der Korb, in dem Ciar seine Beute sammeln wollte, war noch leer.
Duibhin, der Älteste und Größte der vier, die sich selbst als Missgeburten bezeichneten, lag im Schatten und döste. Er hatte den Kopf einer Echse und den von dichtem braunem Fell bedeckten Körper eines Bären.
»Hältst du Wache?«, fragte Luca, als er an Peddyr vorbeiging.
»Ja.« Er wirkte gelangweilt.
»Denkt ihr, es greift euch einer an?« Luca sah sich unwillkürlich um.
Peddyr hob die Schultern. »Alle sind so seltsam. Und dann dieses ganze Gerede über den Schattenlord. Da wollen wir vorbereitet sein.«
Luca glaubte nicht, dass sich der Schattenlord von einem Vogeljungen, der auf einem Baum hockte, abschrecken lassen würde. »Komm lieber runter«, sagte er. »Jemand braucht unsere Hilfe.«
Er sah die Neugier in Peddyrs Blick. Bei den Flüchtlingen und den Iolair waren die Jungen verrufen, weil ihr Aussehen in Elfenkreisen als merkwürdig galt und viele glaubten, sie seien verflucht. Dass jemand mehr von ihnen wollte, als sie zu vertreiben oder anzuschreien, war so ungewöhnlich, dass Peddyr seinen Posten, ohne zu zögern, verließ. »Wer denn?«, fragte er neugierig.
Luca schüttelte den Kopf. »Erzähle ich, wenn alle das hören können.«
Sie weckten Duibhin, dann setzten sie sich neben Ciar auf den Felsen, damit Marcas ebenfalls hören konnte, um was es ging.
»Also, wem sollen wir denn nun helfen?«, fragte Peddyr.
»Simon«, sagte Luca, »einem der Elfen, die bei dem Absturz dabei waren. Er denkt, dass ihn jemand umbringen will.«
»Warum?«, fragte Ciar.
Luca erzählte ihnen, was Simon gesagt hatte. Er selbst hatte den toten Jungen nicht gesehen, nur die Menge, die um die Leiche herumstand. »Wir sollen nichts Gefährliches tun, nur unauffällig in seiner Nähe bleiben, wenn er unterwegs ist, und darauf achten, was in seiner Nähe geschieht.«
»Warum fragt er denn nicht die Iolair?« Duibhin kratzte sich mit einer Pranke am Rücken.
»Die sind nicht gerade unauffällig, oder?«
Die Jungen schwiegen, während sie darüber nachdachten. Marcas wedelte mit seinen Tentakeln und spritzte Wasser zu ihnen hinauf.
Luca nickte. »Ich weiß, dass du gern dabei wärst«, sagte er, »aber solange Simon nicht am Fluss spazieren geht, wird das schwierig. Du tust dich an Land zu schwer.«
Marcas tauchte ab.
Manchmal war es schwer zu verstehen, was in ihm vorging, doch dieses Mal war sich Luca sicher,
Weitere Kostenlose Bücher