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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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entfernt.«
    Seine Stimme flüsterte in ihr Ohr: »Sieh dir seine brennenden, roten Augen an, die Krallen, von denen das Blut seines letzten Gegners tropft, das aufgerissene Maul ...«
    Sie glaubte ihn tatsächlich zu sehen, tief in dem Kristall. Er war größer als sie und mit Schuppen bedeckt. Sie hörte sein Brüllen, sah das wutverzerrte Gesicht.
    »Töte ihn!«, schrie Alberich.
    Angela zuckte zusammen. Ihre Hand krallte sich um den Kristall. Etwas schoss aus ihr wie Wasser aus einem geborstenen Damm. Kaltes blaues Licht fuhr durch den Kristall ins Wasser. Rasend schnell verwandelte sich die Oberfläche in Eis. Ein Teil davon brach heraus und begann sich vor Angelas Augen zu drehen. Er war mehr als zwei Meter lang, dünn und spitz.
    Ein Eisspeer, dachte Angela.
    Hinter ihr lachte Alberich. »Wirf ihn!«, rief er.
    Sie konzentrierte sich erneut auf den Kristall. Der Speer hörte auf, sich zu drehen. Seine funkelnde, tropfende Spitze richtete sich auf den Steg.
    »Doch nicht auf uns!«
    Alberich zog Angela zur Seite, aber sie stemmte sich gegen seinen Griff und gab dem Speer ihren letzten Befehl. »Flieg!«
    Er schoss an ihr vorbei, so nahe, dass sie die Kälte spürte, die von ihm ausging. Alberich duckte sich, aber sie blieb stehen und sah zu, wie der Speer sich in das kleine Boot am Ufer bohrte, genau so, wie sie es gewollt hatte.
    So schnell, dass man mit dem Auge kaum folgen konnte, wurde das Boot von einer Eisschicht überzogen. Holz knirschte und brach unter dem plötzlichen Druck, Bretter zerplatzten, das Boot fiel in sich zusammen, als wäre es aus Glas. Der Speer kippte zur Seite, als ihn nichts mehr hielt, und blieb im Schilf liegen.
    Angela drehte sich zurück zu Alberich, der immer noch geduckt neben ihr stand und mit ungläubigem Blick das zerstörte Boot betrachtete.
    »Wie war das?«, fragte sie so ruhig wie möglich, obwohl ihr Herz bis in ihre Kehle schlug und sie am liebsten vor Begeisterung geschrien hätte.
    Alberich hob den Kopf und strich sich geistesabwesend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Das ...« Er räusperte sich, so als müsse er sich erst fangen. »Das war für den Anfang gar nicht mal schlecht.«
    Angela hob die Augenbrauen. »Gar nicht mal schlecht? Ich würde sagen: phänomenal gut.«
    »Das trifft es wohl wirklich besser.« Alberich lächelte einen Moment lang, dann wurde er ernst. »Deine Kräfte entwickeln sich rasend schnell. Selbst Angelina - also die alte Angelina - hätte das, was du gerade getan hast, nicht in so kurzer Zeit lernen können.«
    Er legte ihr erneut beide Hände auf die Schultern und sah sie an. In seinen gespaltenen Pupillen las Angela Stolz, aber auch Sorge.
    »Sei vorsichtig«, fuhr er fort. »Du wärst nicht die erste Hexe, die ihren eigenen Zaubern zum Opfer fällt. Sag mir immer, was du vorhast, und riskiere so etwas wie eben nur, wenn es unbedingt sein muss, nicht, um mir etwas zu beweisen.«
    Sie musste sich dazu zwingen, seine Worte ernst zu nehmen. Zu stolz war sie auf das, was sie geleistet hatte. Trotzdem nickte sie. »Okay, das werde ich tun.«
    Alberich sah sie ein letztes Mal ernst an, dann ließ er sie los. »Dann komm mit. Lektion zwei erwartet dich.«
    »Sollte ich mich nicht zuerst ausruhen?«, fragte sie, während sie ihm nachging. Rund um sie taute der See bereits wieder auf. »Du hattest doch gesagt, dass Zauber Kräfte verbrauchen, die man erst wiederherstellen muss, bevor man Magie erneut anwenden kann.«
    »Das stimmt«, antwortete er, ohne sich umzudrehen. »Und wenn wir feststellen wollen, wie groß deine Kräfte sind, müssen wir dich bis an deine Grenzen bringen. Bist du müde?«
    »Nein.«
    »Gut. Wir machen so lange weiter, bis sich das ändert.«
    Hintereinander gingen sie am Ufer entlang. Zwischen dem Schilf verlief ein schmaler Weg, mehr ein Trampelpfad, den wahrscheinlich die geflügelten Elche benutzten, wenn sie zum See wollten. Frösche hüpften durch das Gras und verschwanden rasch im Schilf, wenn Angelas Schatten auf sie fiel. Einmal glaubte sie, eine Schlange zu sehen, war sich aber nicht sicher, ob es vielleicht doch nur ein dünner moosbedeckter Zweig war.
    »Ich finde es interessant, dass du dich für einen Eiszauber entschieden hast«, sagte Alberich. Er musste den Kopf zu ihr drehen, damit sie ihn verstand. Der Weg war zu schmal, um nebeneinander gehen zu können, und das Rauschen des Schilfs, in dem sich der Wind fing, war zu laut, um eine normale Unterhaltung zu führen.
    »Ich habe mich nicht dafür

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