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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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nirgends zu sehen. Nur seine Fußabdrücke im Sand verrieten, dass er überhaupt bei ihr gewesen war. Zögernd ging sie auf den Turm zu. Marcus Julius Secundus regte sich nicht, doch ihr Gespür verriet ihr, dass er sie nicht passieren lassen würde. Etwas ging vor, etwas, das Alberich geplant haben musste, als er behauptete, er habe etwas zu erledigen.
    Will er mich erledigen? Der Gedanke war abwegig und erschreckend zugleich. Er hätte sie schon Hunderte von Malen umbringen können, wenn er das gewollt hätte. Und wenn er sich durch meine Kräfte bedroht fühlt? Will er mich deshalb auf die Probe ...
    Sie unterbrach den Gedanken, als etwas nicht weit entfernt von ihr raschelte. Angela fuhr herum.
    Ein Mann trat hinter einem Baum hervor und ging mit langen, entschlossenen Schritten auf sie zu. Seine nackten Füße wirbelten Staub auf. In einer Hand hielt er einen lederbespannten Holzschild, in der anderen eine Axt. Sein bärtiges Gesicht war verzerrt. Eine Seite seines Kopfes war eingedrückt, so als habe ihm jemand den Schädel eingeschlagen. Unter seinen langen, verfilzten Haaren konnte man nicht mehr erkennen.
    Das ist einer der Wächter!, dachte Angela erschrocken. Sie wich zurück und hob abwehrend die Hände. »Ich gehöre zu König Alberich. Du darfst mir nichts tun.«
    Der Mann beachtete sie nicht. Er trug keine Rüstung, nur eine einfache Stoffhose und einen Ledergürtel, in dem ein kleines Messer steckte. Über seinen breiten Schultern lag ein Fell.
    »Marcus!«, rief Angela, ohne den Blick von dem Mann zu wenden. Der Kommandant der Wachen war weniger als einen Steinwurf entfernt, musste also sehen, was sich auf dem Weg abspielte. Warum reagierte er nicht? »Marcus, hilf mir!«
    Der Mann hatte sich ihr bis auf fünf Schritte genähert, als Angela erkannte, dass ihr niemand helfen würde, weder Alberich noch Marcus Julius Secundus. Sie fuhr herum und lief los, zurück zum See. Den Weg zum Turm hätte der Mann ihr abschneiden können, und sie befürchtete, selbst wenn sie die Tür erreichte, würde Marcus sie nicht einlassen. Das war ganz allein ihr Kampf.
    Hinter ihr brüllte der Mann etwas Unverständliches. Er verfolgte sie. Angela hörte das Klatschen seiner Fußsohlen im Sand, aber keinen Atem. Natürlich nicht, er war schließlich ein Geist.
    Sie dachte an den Kristall in ihrer Hand und begann, nach der Magie zu tasten, die sie zuvor so klar in sich gespürt hatte. Doch jedes Mal, wenn sie glaubte, sie greifen zu können, entglitt sie ihr und rutschte ein Stück weiter zurück in die Tiefen, aus denen sie Angela hervorgeholt hatte.
    Ich kann mich nicht konzentrieren, dachte sie schwer atmend. Der Bootssteg tauchte vor ihr auf. Keine Stunde war vergangen, seit sie mit Alberich dort gewesen war, doch das erschien ihr wie eine halb vergessene Erinnerung. Ihre Gedanken kannten nichts mehr außer der Gegenwart.
    Sie wagte es, den Kopf zu drehen. Der Krieger, der sie verfolgte, war bis auf drei Schritte herangekommen. Angela sah, wie er sich anspannte, als wolle er versuchen, sie mit einem Sprung zu erreichen. Die Hand mit der Axt hatte er erhoben. Sonnenstrahlen brachen sich in der scharf geschliffenen Klinge.
    Nein, dachte Angela. Du kommst nicht an mich heran.
    Wie aus dem Nichts ragte plötzlich eine Wand aus Eis hinter ihr empor. Der Krieger schrie überrascht auf, versuchte aber nicht auszuweichen, sondern machte einen Sprung nach vorn. Mit angewinkelten Beinen flog er auf die Eisscheibe zu und schleuderte die Axt.
    Sie traf die Scheibe mit einem dumpfen Knirschen. Risse erschienen im Eis. Der Krieger drehte sich im Flug, sodass er mit der vom Schild geschützten Schulter gegen die Scheibe prallte. Angela duckte sich, als das Eis zerplatzte. Splitter schossen wie Glasscherben durch die Luft. Eine traf ihre Lederjacke, konnte sie aber nicht durchdringen.
    Der Krieger stand auf. Grunzend schüttelte er sich das Eis aus den Haaren, dann griff er nach der Axt, die nun mitten auf dem Weg lag. Er schrie auf, als er sie berührte, und zog die Hand zurück. Die Haut an seinen Fingerspitzen war aufgeplatzt und färbte sich schwarz. Die Axt hatte die Kälte der Eiswand in sich aufgenommen.
    Angela spürte, wie die Magie in ihrem Inneren brodelte. Sie war bereit. Ein Stück wich sie zurück, bis sie das Holz des Stegs unter ihren Füßen spürte. Der Krieger wirkte ratlos, doch dann nahm er den Schild und stürmte laut brüllend auf sie zu. Es war der Mut der Verzweiflung, der ihn antrieb, das sah Angela in

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