Die Kristallhexe
jemand in deine Gedanken?«
»Keine Ahnung, Ciar. Wie kann ich das feststellen?« Er kniff die Augen zusammen, schüttelte erneut den Kopf, versuchte, an etwas anderes zu denken. Das Bild begann zu verblassen.
Peddyr ergriff seinen Arm. Mit der freien Hand zeigte er auf den Fluss. »Bleib ganz ruhig, mach gar nichts. Das ist Marcas.«
Luca drehte den Kopf. Der Krakenjunge trieb wie tot im Wasser, seine Tentakel bewegten sich nur so viel, um ihn nicht abtreiben zu lassen.
»Versucht er mit mir zu reden?« Luca wusste nicht, weshalb er auf einmal flüsterte.
»Ja, das ist anstrengend. Wehr dich nicht dagegen.«
Luca nickte. Er konzentrierte sich auf das Bild, und mit einem Mal sah er es so deutlich vor sich, als beuge sich der Elf über ihn.
Er war am Fluss, sagte eine Stimme, so leicht und klar wie das Flusswasser in seinem Kopf. Zum ersten Mal wusste er, wie es sich anfühlte, wenn jemand in seinem Geist sprach. Es war wie ein Kitzeln, aber nicht unangenehm. Er war hier, als das Feuer ausbrach und der kräftige Mann sich hier versteckte.
»Du meinst Cedric?«
Ja. Dieser Mann hat Cedric beobachtet. Ich habe es gesehen.
»Danke, Marcas.« Das Bild verblasste und verschwand, aber Luca war sich sicher, dass er den Elfen wiedererkennen würde. Der Krakenjunge richtete sich halb im Wasser auf, wedelte mit seinen Tentakeln und ließ sich rückwärts in den Fluss fallen. Mittlerweile kannte Luca ihn gut genug, um zu wissen, dass er stolz war.
»Das kannst du auch sein«, rief er. »Das war toll.«
Er erzählte den beiden anderen, was Marcas gesehen hatte. Peddyr streckte ein muskulöses Bein aus und hackte mit den Klauen in die Luft. »Den holen wir uns! Wir sind zu viert. Der Kerl hat keine Chance.«
»Bist du verrückt?« Ciar hob die Hände. Seine schwarze Rindenhaut knirschte. »Marcas hat einen Mann gesehen, aber wir wissen nicht, ob er allein ist. Vielleicht hat er Helfer. Ich bin dafür, dass wir jemandem Bescheid sagen. Sollen sich doch die Iolair darum kümmern.«
Beide Elfenjungen sahen Luca an, warteten darauf, welche Seite er wählen würde. Er dachte einen Moment nach, dann sagte er: »Wir erzählen meinem Vater davon. Kommt!«
Sie gingen den Weg hinauf. Peddyr und Ciar blieben ein wenig zurück, als sie den Platz betraten. Sie kamen nur ungern ins Dorf der Menschen, fühlten sich dort wohl noch weniger willkommen als in der Siedlung der Elfen. Luca konnte ihnen das nicht verdenken, denn die Blicke, die ihnen vor allem von Rimmzahns Anhängern zugeworfen wurden, waren ablehnend, fast schon feindselig. Die Männer und Frauen mit den weißen Kopftüchern, die sogenannten Friedensengel, fanden sich in kleinen Gruppen zusammen und starrten Luca und seine Freunde an. Jemand, er wusste nicht, wer, hatte angefangen, sie die Stimmungspolizei zu nennen, und nach nicht einmal einem Tag hatten viele den Namen übernommen.
Eine der Gruppen kam auf Luca zu. Es waren zwei Männer, Frans und Rudi, und seine Schwester Sandra. Er verdrehte die Augen, als er sie sah.
»Ich habe keine Lust, mit dir zu reden«, sagte er.
Sandras leeres Lächeln fror ein. »Wir möchten dir nur helfen. Bedrängen diese ... Gestalten dich?«
»Das sind meine Freunde, und das weißt du ganz genau.« Er hatte die Stimme erhoben, und nun kamen auch einige der anderen Gruppen näher. Am Tag zuvor waren sie noch zu zehnt gewesen, doch nun zählte er doppelt so viele weiße Kopftücher.
»Wir warten im Wald«, sagte Ciar und zog Peddyr mit sich, bevor dieser widersprechen konnte.
»Ich bin deine Schwester.« Sandra machte einen Schritt auf ihn zu, aber Luca wich zurück. Er hatte Angst, dass sie versuchen würde, ihn zu küssen. »Wir sind blutsverwandt. Sollte ich dir nicht näher sein als irgendwelche dahergelaufenen Elfen, die selbst von ihresgleichen verstoßen werden?«
»Du weißt nichts über sie«, sagte Luca wütend. »Und ich lasse mir von dir bestimmt nicht vorschreiben, wer meine Freunde sein dürfen.«
Aus den Augenwinkeln sah er, dass einige Überlebende ihre Hütten verließen und den Streit beobachteten. Es war keiner darunter, den er gut kannte, nur Gina, die selbst zur Stimmungspolizei gehörte, Reggie und Klara, eine ältere Frau mit traurigem, langem Gesicht, die ein fast knielanges rotes Hemd trug und zurückgezogen lebte. Keiner von ihnen würde ihm helfen.
»Deine Wut ist nur Ausdruck deiner Angst«, sagte Frans herablassend. »Ich war mal wie du, aber jetzt geht es mir besser.«
»Mir ebenfalls«, sagte sein
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