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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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eine interessante Frau«, sagte Jack.
    Deochar korrigierte ihn sofort. »Sie ist eine gefährliche Frau. Lass dich nicht von ihrem harmlosen Äußeren täuschen.«
    Jack blieb stehen. »Also harmlos würde ich das nicht gerade nennen.«
    »Aber auch nicht schön.« Deochar zeigte auf ein Eckhaus, über dessen verriegelter Eingangstür eine Schild hing, auf dem ein Hemd und eine große Schere zu sehen waren. »Das ist es.«
    »Ihr habt einen verdammt hohen Standard hier«, murmelte Jack. Dass Deochar nicht von Eroly beeindruckt war, wunderte ihn, denn er hielt sie für eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte.
    Vielleicht haben Menschen in unserer Welt und in Innistìr einfach nur unterschiedliche Geschmäcker, dachte er.
    Sie fanden eine schmale Gasse, die tief in den Schatten zweier Häuser lag. Von dort aus konnten sie die Eingangstür des Schneidergeschäfts im Auge behalten. Deochar übernahm die erste Wache, Jack schob mit dem Stiefel Unrat zur Seite und legte sich auf seinen Umhang. Er glaubte nicht, dass er schlafen würde, doch irgendwann stieß ihn jemand an.
    »Er kommt«, flüsterte Deochar.
    Jack setzte sich auf. Graues Tageslicht erhellte die Gasse, die ersten Vögel begannen zu singen.
    »Warum hast du mich nicht geweckt, als deine Wache vorbei war?«, fragte er, während er aufstand und sich streckte.
    »Ich bin daran gewöhnt, mit wenig Schlaf auszukommen.« Deochar ging zum Anfang der Gasse und sah vorsichtig zur anderen Straßenseite. »Er schließt gerade auf. Sobald er im Geschäft ist, schlagen wir ... Jetzt.«
    Hintereinander liefen sie über die schmale Straße. Noch war kaum jemand unterwegs; Jack hörte nur, wie in einiger Entfernung Stände mit lauten Hammerschlägen aufgebaut wurden. Deochar trat die Tür ein und stürmte in das Geschäft. Ein Mann schrie ängstlich und überrascht auf. Jack warf einen kurzen Blick nach rechts und links, aber es war niemand zu sehen. Dann zog er die Tür, die nur noch halb in ihren Angeln hing, provisorisch zu.
    Dahinter lag eine typische Schneiderwerkstatt. Rollen mit bunten Stoffen standen an den Wänden, überall hingen Maßbänder und Scheren in verschiedenen Größen. Auf der Theke im hinteren Teil des Raums lag ein übergewichtiger Mann, über den sich Deochar drohend beugte. Der Mann war ein Mensch wie er, aber deutlich älter. Sein Gesicht war teigig und blass, sein Backenbart grau durchsetzt.
    »Nimm dir, was du willst«, sagte er mit zitternder Stimme, den Blick fest auf den Dolch in Deochars Hand gerichtet. »Wenn du Gold suchst, ich habe keines. Ich bin nur ein Schneider, der gerade so über die Runden kommt.«
    »Du lügst.« Deochar drückte mit dem Dolch gegen seine Kehle. »Wir wissen, was du wirklich bist. Eroly hat es uns gesagt.«
    Der Mann erschlaffte, und dann änderte sich seine Körperhaltung. Auf einmal straffte er sich, in sein Gesicht trat ein boshafter Zug. »Und jetzt wollt ihr ein paar Zauber, ohne dafür zu bezahlen, richtig? Ihr seid am falschen Ort, ihr miesen kleinen Ratten.«
    »Du vergisst, mit wem du sprichst!«, knurrte Deochar.
    »Ja, ich weiß schon - mit einem hochheiligen Anführer der Rebellen. Bin euch ja auch unendlich dankbar, dass ich hier eine Zuflucht finden konnte. Aber ihr habt eure Rebellion und ich hier mein Geschäft.«
    Jack sah, wie sich seine Hand bewegte. Ein Stück Papier, das er gehalten hatte, fiel zu Boden und fing Feuer.
    »Pass auf!«, sagte Jack warnend. Deochar wich zurück, zog ebenfalls sein Schwert. Noran blieb breit grinsend liegen. Von dem brennenden Papier war nur mehr Asche übrig, ein letzter Rauchfaden stieg daraus auf - und die Werkstatt erwachte zum Leben. Scheren klappten auf und zu, Maßbänder rissen sich los und flogen umher, Stoffbahnen rollten sich aus.
    Jack duckte sich unter einer Schere, die fast so lang wie sein Unterarm war. Sie schlitzte eine Stoffbahn der Länge nach auf, bevor sie sich im Flug umdrehte und ihn erneut angriff. Er schlug sie mit dem Schwert beiseite. Neben ihm zerriss Deochar ein Maßband, das sich um seinen Hals legen wollte.
    Eine Schatulle klappte auf, und zu seinem Entsetzen sah Jack, wie Hunderte Nadeln, manche krumm oder verrostet, wie ein Jagdgeschwader daraus aufstiegen. Mit einem Sprung setzte er über die Theke hinweg und ließ sich fallen. Die Nadeln bohrten sich über ihm in einige halb fertige Hosen und dann in die Wand dahinter.
    »Gib mir Deckung!«, rief Deochar. Er packte Noran an beiden Fußknöcheln und riss ihn von der

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