Die Kristallwelt der Robina Crux
werden…?“
„Wenn ich ganz ehrlich bin“, Ed hatte sich wieder zum Fenster gedreht, „in mir steckt das auch ein bißchen. Du arbeitest deine sechs Stunden, normalerweise nicht eben schwer, machst deine Arbeit gut: Routine. In der Freizeit gehst du deinen Interessen nach, Sport, Spiel, absolvierst übers Jahr viermal deine eine Woche Verwaltungsaktiv oder den territorialen Koordinierungsdienst… Na gut, Vater ist in seiner Freizeitgestaltung auch einseitig. Aber geangelt sollen schon die Steinzeitmenschen haben, sagt man. Es ist ein Sport, der nie aussterben wird, solange es Menschen und – Fische gibt.“ „Aber so lebt man doch gar nicht mehr richtig.“
„Sag das nicht. Seine Arbeit macht er gut. Es ist nicht seine Schuld, daß der Automat ihm nicht mehr abverlangt. Er wurde erst neulich gelobt, weil er eine Störung ohne den Zentralen Trupp behoben hat.“ „Und das da?“ hatte Robina gefragt und in die Nacht hinaus gewiesen. „Warum machst du das?“
Ed hatte gelacht, einen Augenblick lang blitzten seine Zähne.
„Du hast dich selbst bei RENOV beworben!“ Robina war hartnäckig geblieben. „Hättest sicher auch irgendwo einen Automaten bekommen. Bis an dein Lebensende hättest du den betreuen können – und fischreiche Seen gibt es wieder genug.“
„Beruhige dich, Schwesterchen!“ Ed hatte ihr auf die Schulter geklopft. „Es gibt genügend Leute, die sehen, was auf sie wartet. Du hast deine Felder, die noch Generationen beschäftigen werden. Und ich werde morgen dabeisein, wenn Berge versetzt werden, du wirst sehen… Hunderttausende sind im Kosmos, auf den Planeten, bauen neue Maschinen, Siedlungen. Wir können wahrhaftig auf den Beitrag solcher Väter verzichten. Und wir wollen nicht vergessen: Vater hat einen Beitrag geleistet, und keinen kleinen. Es ist, glaube ich, im Augenblick die schwierigste Aufgabe für die Menschen, wirklich alle sozial gleichzustellen, die Disharmonien zu beseitigen…“
Robina war Ed in diesem Augenblick von Herzen dankbar gewesen. Und auf einmal wurde ihr klar, weshalb er sie fast immer, wenn er zu einem neuen Einsatzort zog, zu sich holte. Sie sollte nicht fühlen, daß sie keine Familie hatte. Er litt genauso darunter wie sie, wollte ihr Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.
Sie hatte seine Hand gesucht und sie gedrückt. „Aber liegenlassen sollten wir solche nicht“, hatte sie leise gesagt.
„Nein – sicher nicht. Aber ich war dabei, als Vater unlängst einen Beauftragten der Koordinierungsgruppe abfahren ließ, so einen jungen, der danach ganz verstört war. Er wollte weiter nichts als Vater zu einer Zusammenkunft einladen, auf der es um die Soliaktion ‚Standard’ ging. Vater sollte dort von seinen Erfahrungen berichten. Er sei bereit, hatte er heftig gesagt, beliebig Materielles für die Solidarität zu leisten. Aber im übrigen würden sie sicher ohne ihn auskommen.“
„Ja, ich weiß davon“, hatte Robina bestätigt. „Er hat es mir selbst erzählt – voller Bitternis, rechthaberisch. Er hat es nicht verarbeitet – und gerade das ist ein wunder Punkt. – Wir hätten Mutter nicht weggehen lassen sollen.“
„Du warst fünf, ich sieben – was hätten wir da ausrichten können. Es
ist ihr sicher schwer genug angenommen.“
„Hast du Nachricht von ihr?“
„Vor einem halben Jahr etwa hat sie mich einmal angerufen. Sie meinte, es ginge ihr gut. Sie lebt monogam – mit einem Servicer zusammen.“ Obwohl Ed noch etliches erklärte, hatte sich Robina die Dimensionen des Unternehmens nicht vorstellen können. So beschloß sie, den nächsten Tag noch zu bleiben und sich alles an Ort und Stelle anzusehen. Ed versprach, das alles zu regeln, obwohl es die Objektleitung – schon aus Gründen der Sicherheit – nicht so gern sähe, wenn Fachfremde zugegen sind.
Dann waren sie über eine Stunde zu Fuß zum Hotel gegangen. Es lag auf einem bewaldeten Hügel außerhalb der Stadt. Über ihre Köpfe hinweg zischten in rascher Folge Gleiter, die Gäste zwischen der Stadt und der Herberge beförderten.
„Na, Robi, schau dir das an!“ Ed hatte zum Hügel gewiesen, von dem die lange Lichterkette des Hotelbaus herüberstrahlte. „Das ist noch gar nicht so alt, trotzdem bauen wir heute schon anders, wieder rationeller. Aber niemandem würde einfallen, deshalb solche Bauten zu verschrotten. Sie bleiben bewohnt, bis es aus Sicherheitsgründen nicht mehr geht. Es ist eben menschlich: Wir hängen an dem, was wir gewohnt sind…“ „Schon gut,
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