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Die kritische Dosis

Die kritische Dosis

Titel: Die kritische Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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ausgesucht.«
    »Und dann?«
    »Dann rief ein Bekannter einen Krankenwagen, bevor jemand auf die Idee kommen konnte, die Polizei zu holen. Der Rettungsdienst erscheint, lädt mich ein und braust mit mir ab. Mein Bekannter sorgt dafür, daß der Unfall gemeldet und meine Adresse angegeben wird. Meist erscheint später jemand von der Polizei bei mir, um meine Aussage nachzuprüfen. Wenn der Knabe, der mich angefahren hat, anhält und ein Bericht über den Unfall aufgenommen wird, kann ich meist ein Geschäft mit der Versicherung machen. Wenn der Autofahrer das Weite sucht, spüren wir ihn auf und kassieren eine saftige Entschädigung, denn durch seine Fahrerflucht haben wir ihn in der Hand, und er spuckt tüchtig aus. Natürlich benutze ich jedesmal einen anderen Namen.«
    »Und Colton Essex wußte über diese Scherze Bescheid?«
    »Ich sage Ihnen ja, er war der Anwalt der Gegenpartei. Er hat den Braten gerochen, und am Ende des Prozesses mußte ich mich mit einer sehr viel kleineren Summe zufriedengeben, als ich gewöhnt war. Er ist tüchtig.«
    »Und wie hat sich die Sache diesmal abgespielt?«
    »Eines Abends klingelte bei mir das Telefon. Es war Essex. Ich sollte in zehn Minuten an einer bestimmten Kreuzung sein und meine Schau abziehen. Es ginge um zehn Mille, davon könnte ich die Hälfte behalten. Mehr kann man nicht verlangen.«
    »Hat er Ihnen gesagt, welches Fahrzeug Sie aufs Korn nehmen sollten?«
    »Klar. Seinen Wagen.«
    »Seinen Wagen?« entfuhr es mir.
    »Ja. Er wollte kurz vor der Kreuzung mit den Scheinwerfern ein Lichtsignal geben. Ich sollte recht wirkungsvoll hinfallen, wegen der Zeugen, und er würde davonbrausen. Er schärfte mir ein, erst dann loszulegen, wenn er mit den Scheinwerfern geblinkt hatte. Er wollte freie Bahn zur Flucht.«
    »Das ist denn doch die Höhe«, murmelte ich.
    »Ulkig, was?« meinte sie.
    »Und Sie fanden sich prompt ein, und er gab das Lichtsignal?«
    »Na, das war ein Theater«, sagte sie. »Zehnmal ist er über die Kreuzung gegondelt, bis die Bahn frei war. Dann hat er das Lichtzeichen gegeben, und ich hab’ meine Schau abgezogen, und er ist mit kreischenden Reifen um die Ecke gerast. Das war’s.«
    »Wie war das mit dem Kleid, das Sie anhatten?«
    »Er ist hinterher bei mir vorbeigekommen und hat mit einer Zange ein Stück Stoff aus dem Kleid gezwackt.«
    »Und dann?«
    »Hat er mir gesagt, ich sollte mich in Geduld fassen. Zu gegebener Zeit würde jemand vorbeikommen, um mir einen Vergleich vorzuschlagen. Etwa achtundvierzig Stunden danach rief er mich an und sagte, der Mann, den ich zu erwarten hätte, wäre ein schlauer Bursche, jung und ziemlich schmächtig, aber sehr gewitzt. Ich sollte bloß keine langen Geschichten erzählen, sondern mich einfach dumm stellen. Der Mann würde sich mit irgendeiner Masche bei mir einführen, aber ich sollte mich nicht beirren lassen, denn bei der Sache würden zehn Tausender rausspringen, und die Hälfte davon wäre für mich.«
    »Und die andere Hälfte?«
    »Die habe ich dem Anwalt gegeben.«
    Ich saß und grübelte vor mich hin.
    »Was werden Sie jetzt tun?« fragte sie. »Wollen Sie wegen der fünf Tausender unangenehm werden? Ich sage Ihnen, das ist der erste lohnende Job für mich seit einem halben Jahr. Diese blöden Versicherungen führen eine Kartei über Leute, die Unfälle Vortäuschen, da muß man sich jedesmal was Neues einfallen lassen. Es ist schon so schlimm, daß ich bei Autofahrern, die nach dem Unfall anhalten, kaum mehr Entschädigungen herausschinden kann.«
    »Was geschieht dann?« fragte ich.
    »Sie halten an und fragen, ob ich schwer verletzt bin. Mein Bekannter sagt, daß er einen Krankenwagen gerufen hat. Dann geben sie mir ihre Karte und sagen, daß sie versichert sind und ich mich'mit ihnen in Verbindung setzen soll. Sie wollen den Unfall ihrer Versicherung melden und fragen nach meinem Namen. Dann gebe ich ihnen meist einen falschen Namen und Adresse und lasse nie mehr von mir hören. Wenn jemand Fahrerflucht begeht, sieht das anders aus. Ich hab’ einen ganz guten Blick dafür, ob jemand was getrunken hat, und manchmal hilft mein Bekannter auch ein bißchen nach.«
    »So? Wie denn?«
    »Er setzt sich in eine Bar oder ein Restaurant und sieht sich die Leute an, die sich eifrig die Nase begießen. Dann geht er auf den Parkplatz, schreibt sich die Wagennummern und die Adressen von den Parkscheinen ab, damit er weiß, in welche Richtung sie fahren, und ich stelle mich an einer Kreuzung in der Nähe auf.

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