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Die kritische Dosis

Die kritische Dosis

Titel: Die kritische Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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»Ist die ganze Welt in Ordnung?«
    Er kritzelte in irgendwelchen Kontobüchern herum und antwortete mechanisch: »Hoh shah kai.«
    Da die chinesische Sprache mit verschiedenartigen Betonungen arbeitet, kann man eine Frage nicht durch ein Anheben der Stimme am Schluß des Satzes andeuten. Deshalb wird an einen Satz, um ihn zur Frage zu machen, das Wort mah angehängt. Mit seiner Antwort versicherte mir der Chinese, daß die ganze Welt in Ordnung sei.
    Plötzlich hob er überrascht den Kopf; er hatte gemerkt, daß ich kein Landsmann war. »Sie sprechen chinesisch?« fragte er ganz aufgeregt.
    »Ein bißchen«, sagte ich. »Dik kom doh. Ich habe viele chinesische Freunde. Ich möchte einen Brief an einen chinesischen Freund schreiben und brauche viel rotes Papier. Einen großen roten Umschlag. Haben Sie so etwas?«
    Ich legte einen Dollarschein auf die Theke.
    »Was für einen Brief?«
    »Einen Scherzbrief«, antwortete ich. »Gong seuh. Ich brauche einen großen Umschlag. Knallrot.«
    Er grunzte, nahm den Schein, legte ihn in die Kasse, griff unter den Ladentisch und förderte einen riesigen roten Umschlag zutage.
    »Sehr schön«, sagte ich. »Jetzt schreiben Sie mit Ihrem Pinsel irgendwas Chinesisches darauf.«
    »Was denn?«
    »Irgendwas. Vielleicht den Namen des Restaurants.«
    Er zögerte einen Augenblick. Dann stippte er den Pinsel in die schwarze Ausziehtusche und malte schwungvolle chinesische Schriftzeichen von oben nach unten auf den Umschlag.
    »Lesen Sie auch?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann nur etwas sprechen. Von meinen vielen chinesischen Freunden schnappe ich hier und da ein paar Brocken auf.«
    »Wohnen Sie in Las Vegas?«
    »Nein, in Los Angeles.«
    Ich griff mir den Umschlag und streckte ihm die Hand entgegen.
    Er schüttelte sie mit großer Feierlichkeit.
    Ich ging in eins der Spielkasinos und sah mich nach Reklamezetteln um. Schließlich fand ich ein großes Stück Pappe, das genau in den Umschlag paßte und auf dem die besonders günstigen Aussichten eines Spielchens in gerade diesem Etablissement angepriesen wurden.
    Ich steckte die Werbung hinein, klebte den Umschlag zu, ging zur Post, pappte Luftpost- und Eilbotenzettel darauf und adressierte den Umschlag an die Clayton Dawson Diskont- und Effekten-Verwertungs-AG in Denver, Colorado, setzte die Adresse des Geschäftshauses hinzu, in dem Helen Loomis ihre Briefkastenfirmen unterhielt, und steckte den Umschlag in den Kasten.
    Dann orientierte ich mich über die Flugverbindungen nach Denver und hatte vor dem Abflug noch Zeit, an einem der Würfeltische fast siebenhundertfünfzig Dollar zu gewinnen.
    In Denver mietete ich mir einen Wagen, fuhr in mein Hotel und genoß eine Nacht hindurch den Schlaf der Gerechten. Am nächsten Morgen postierte ich mich in aller Herrgottsfrühe vor dem Büro von Helen Loomis.
    Ich wußte, daß sie ihren Kunden anrufen würde, wenn der rote Umschlag mit den chinesischen Schriftzeichen kam, und ich war sicher, daß der Mann, der sich mir gegenüber als Clayton Dawson ausgegeben hatte, sehr schnell würde feststellen wollen, was in diesem bemerkenswerten Brief stand.
    Um neun Uhr fünfzehn gab ein Postbote den Eilbotenbrief im Büro der Loomis ab. Um zehn Uhr fünfzehn betrat eine attraktive junge Frau in hautengem Kleid, das ihre Kurven vorteilhaft zur Geltung brachte, das Büro. Zehn Sekunden später kam sie mit dem roten Umschlag in der Hand wieder heraus.
    Sie versuchte den Umschlag so zu halten, daß er nicht ganz so auf fiel, aber ich hatte meine Wahl mit Bedacht getroffen. Wenn sie das Unding nicht in einer Aktentasche versenken konnte, mußte es allen Passanten wie eine Riesenwarnlampe in die Augen stechen.
    Sie fuhr mit dem Lift ins Erdgeschoß. Ich war im gleichen Käfig.
    Naiverweise schenkte sie mir nicht die geringste Beachtung.
    Ich hatte mich auf eine lange Jagd per Auto eingerichtet, aber sie überquerte einfach die Straße und gondelte in den siebenten Stock eines gegenüberliegenden Bürohauses hinauf.
    Ich hatte gar nicht so frech vorgehen wollen, aber da sie völlig mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt war und dieser Gang zum Büro von Helen Loomis für sie offensichtlich nur eine Routineangelegenheit bedeutete, fuhr ich gleich mit ihr nach oben.
    Ich war für sie einfach ein Stück der Einrichtung.
    Als sie vor mir durch den Korridor im siebenten Stockwerk ging, hatte ich Muße, sie zu betrachten. Sie hatte schwingende Hüften und lange, gerade wohlgeformte Beine. Ich hatte

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