Die kritische Dosis
abgenommen wurde. Die Polizei weiß auch, daß Phyllis’ Wagen in der Nähe geparkt war. Deshalb mußten wir ja so rasch handeln. Phyllis wird polizeilich gesucht, und wenn man sie findet, muß sie ein Alibi vorweisen können.
Ich möchte, daß die Polizei in Los Angeles ihr dieses Alibi verschafft, bevor uns hier der Boden unter den Füßen zu heiß wird.«
Ich schwieg eine Weile.
»Werden Sie jetzt zur Polizei gehen?« fragte er.
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Sie können Ihr Honorar selbst festsetzen.«
»Bis zu welcher Höhe?«
»Unbegrenzt. Es hängt für mich viel davon ab. Man hat davon gesprochen, daß man mich als Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters aufstellen wollte. Ich bin ein prominenter Bürger in Denver, der Skandal würde mir das Genick brechen. Und die Informationen in der Hand meiner Frau würden mich eine nette halbe Million kosten.«
»Woher hatten Sie die Idee, ihm Knockouttropfen zu verpassen?«
»Von meiner Frau. Sie war vor unserer Heirat Krankenschwester.«
»So, sie hat Ihnen also von der nützlichen Chemikalie Chloralhydrat erzählt?«
»Ja.«
»Das Zeug ist gefährlich.«
»Das weiß ich jetzt auch. Die kritische Dosis hängt von der Verfassung des Betreffenden ab, von seinem Herzen und so weiter, aber die Menge, die wir dem Kerl verpaßt haben, sollte ihn nur für eine halbe Stunde handlungsunfähig machen. Wir haben lange in seiner Wohnung gesucht. Ich hatte schon Angst, er würde zu sich kommen und ein großes Geschrei anheben, bevor wir uns aus dem Staub machen konnten.«
»Wo war dieses Rendezvous mit Mr. Canby?«
»In den Round Robin Rooms. Es war sein Vorschlag, weil er diese lächerliche Angst vor Mikrofonen hatte. Er hat das Zimmer gemietet.«
»Wir sind Leidensgenossen«, meinte ich.
Er hob fragend die Augenbrauen.
»Wir stecken beide in der gleichen Tinte. Sie hören noch von mir.«
Er langte nach seiner Brieftasche. »Brauchen Sie Geld?«
»Jetzt nicht. Später.«
Ich spazierte gedankenversunken zum Hotel zurück.
Am Empfang ließ ich mir meinen Zimmerschlüssel geben.
Ein Mann trat vor und fragte: »Donald Lam?«
Ich sah auf und nickte.
»Ich habe einen Haftbefehl für Sie aus Los Angeles. Schweigegeldzahlung im Fall von Fahrerflucht. Verzichten Sie auf Auslieferung?«
»Dazu muß ich erst ein Telegramm loslassen. Wenn die Antwort da ist, kann ich es Ihnen sagen.«
»Man hat uns schon gewarnt, daß wir mit Ihnen Schwierigkeiten haben würden.«
»Doch nicht mit mir«, versicherte ich. »Ich bin lammfromm.«
Ich schickte ein Telegramm an Rechtsanwalt Colton C. Essex: »In Denver, Colorado, verhaftet wegen Schweigegeldzahlung im Fall von Fahrerflucht. Befinde mich im Gewahrsam der Polizei von Denver. Soll ich auf Auslieferung verzichten?«
Ich unterschrieb und wandte mich an den Kriminalbeamten in Zivil. »Von mir aus kann’s losgehen.«
11
Ich wurde im Stadtgefängnis von Denver in eine Zelle gesteckt. Nach einer Stunde kam ein Kalfaktor mit einem Telegramm für mich. Es war geöffnet, zensiert, gestempelt, gelesen — gewissermaßen schon vorgekaut zwecks leichterer Verdauung.
Es war von Colton C. Essex und lautete: »Bewahren Sie Stillschweigen. Zu gegebener Zeit wiederhole gegebener Zeit wird alles unternommen werden, Ihren Fall zufriedenstellend abzuschließen. Bewahren Sie Stillschweigen. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen.«
Ich fragte, ob mir die Vergünstigung zustände, mir auf eigene Kosten ein Essen aus einem Lokal kommen zu lassen. Diese Vergünstigung, erfuhr ich, stand mir nicht zu.
Ich fragte nach der Kaution. Das würde zu gegebener Zeit geregelt, sagte man mir. Wenn ich aber bereit sei, auf Auslieferung zu verzichten, könnte man mir einige Annehmlichkeiten zugestehen.
Ich sagte, mein Anwalt hätte mir geraten, Stillschweigen zu bewahren.
Ich erfuhr, daß man einen Kriminalbeamten aus Los Angeles erwartete, der mich zurückbringen sollte, damit ich in Kalifornien unter Anklage gestellt werden konnte. Und wieder versäumten die Herren von der Polizei in Denver nicht, darauf hinzuweisen, daß ich mir das Leben durch den Verzicht auf Auslieferung bedeutend erleichtern könnte.
Ich schlief nicht viel in dieser Nacht.
Am nächsten Morgen kam Frank Sellers.
Man brachte mich aus meiner Zelle in ein Büro, wo zwei Kriminalbeamte an einem Schreibtisch saßen und Frank Sellers seine Worte mit so ungewohnter Sorgfalt wählte, daß ich sofort kapierte: In dem Raum waren Mikrofone versteckt, die jeden Pieps
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