Die kritische Dosis
recht geschickt ausgespielt. Wenn Sie uns aus der Klemme helfen, können Sie Ihre Forderungen selbst stellen.«
»Aber ich muß den Mund halten, nicht wahr?«
»Verdammt noch mal, das müssen Sie schon in Ihrem eigenen Interesse! Was passiert, wenn Sergeant Sellers Mrs. Chester erwischt?«
»Sie kann ihm nur sagen, daß ich ihr von einem Bekannten erzählt habe, der ihren Schadensersatzanspruch gegenüber einem unbekannten Autofahrer aufkaufen wollte.«
»Damit wären Sie seinerzeit durchgekommen«, sagte er. »Aber Ihre Versuche, die Identität der verschiedenen interessierten Parteien festzustellen, würden sich einer Jury gegenüber ziemlich schlecht machen.«
Ich dachte nach.
»Besonders wenn Sellers Mr. Chester völlige Straffreiheit zusichert für den Fall, daß sie durch ihre Zeugenaussage Ihre Verurteilung und den Entzug Ihrer Lizenz erreicht.«
»Da haben Sie auch wieder recht...«
»Na schön«, sagte er abschließend. »Dann fahren Sie zum Flughafen und sehen Sie zu, daß Sie so schnell wie möglich Colorado verlassen.«
Ich hob die Augenbrauen. »Nach Kalifornien?«
»Bloß nicht! Das Klima in Kalifornien ist für Sie im Augenblick unbekömmlich. Hier ist eine Kreditkarte auf Ihren Namen. Fahren Sie nach Las Vegas. Leisten Sie sich was, lassen Sie sich ein bißchen Bargeld für ein Spielchen geben, damit Sie sich nicht langweilen. Rufen Sie in meinem Büro an und sagen Sie meiner Sekretärin, wo Sie untergekommen sind. Sie brauchen keinen Namen zu nennen. Es genügt, wenn Sie sagen: >Richten Sie Mr. Essex aus, daß ich da und da zu erreichen bin.<«
»Und wie steht’s mit meiner Teilhaberin, Bertha Cool?«
Essex zog ein bedenkliches Gesicht. »Soviel ich gehört habe, ist Ihre Teilhaberin, Mrs. Cool, nicht besonders freundlich auf Sie zu sprechen. Ich glaube, es wäre besser, ihr nicht zu sagen, wo man Sie erreichen kann.«
»Meine Sekretärin ist Elsie Brand. Sie arbeitet schon lange für mich, und ich kann ihr völlig vertrauen. Bitte lassen Sie ihr mitteilen, wo ich bin, wenn ich Ihnen meine Adresse gegeben habe.«
»Wird sie sich nicht mit Mrs. Cool in Verbindung setzen?«
»Bestimmt nicht«, versprach ich.
»Einverstanden. Dann fahren wir jetzt am besten zum Flughafen. Bis zum Start Ihrer Maschine haben wir nur noch eine halbe Stunde Zeit.«
13
Ich stieg als einer der ersten ein und ergatterte einen Fensterplatz. Neben mich setzte sich eine Frau.
Ich achtete zunächst nicht sonderlich darauf, aber als ich meinen Sicherheitsgurt angeschnallt hatte und mich umsah, stellte ich fest, daß noch eine ganze Menge Fensterplätze unbesetzt waren. Reservierte Sitze gab es nicht, und da ich nun einmal von Natur mißtrauisch bin, betrachtete ich meine Nachbarin von der Seite.
Sie mochte zwischen fünfunddreißig und vierzig sein und hatte keine Kosten gescheut, fünf Jahre jünger zu wirken. Sie war so gut gepflegt wie weiches Handschuhleder, aber man ahnte eine gewisse Härte hinter dieser Fassade.
Ich fragte mich, ob ich Sellers diese Reisebegleiterin zu verdanken hatte.
Verstohlen musterte ich sie zum zweitenmal und kam zu dem Schluß, daß sie nicht von der Polizei war. Und eine Privatdetektivin konnte sich eine solche Aufmachung nicht leisten. Wer weiß, weshalb sie gerade auf diesen Platz erpicht war. Ich streckte alle viere von mir und entspannte mich.
Die Motoren heulten auf, die Maschine rollte über die Piste, verharrte einen Augenblick und beschleunigte dann donnernd das Tempo.
Meine Nachbarin schloß die Augen.
Das Flugzeug verließ den Boden, stieg steil nach oben. Dann drosselte der Pilot die Motoren.
»Ich habe immer Angst beim Start«, bemerkte sie.
Jetzt wußte ich, daß es kein Zufall gewesen war. Ich lächelte unbestimmt und fragte mich, ob in Las Vegas schon jemand bereitstand, um meine Spur aufzunehmen und mich rund um die Uhr zu beschatten.
Außer in ganz wichtigen Fällen kann sich die Polizei das nicht leisten, und wenn Sellers nicht gerade eine kleine Bank ausgeraubt hatte, war sein Dezernat nicht reich genug, um mich ständig überwachen zu lassen.
Ich machte die Probe aufs Exempel, indem ich tat, als sei schwer an mich heranzukommen; nicht gerade hochnäsig, nur in Gedanken versunken.
Ich spürte, wie sie mein Profil musterte.
Nach kurzer Zeit sagte sie: »Sie haben die interessantesten Hände, die mir seit langem begegnet sind. Halten Sie mich bitte nicht für aufdringlich.«
»Was ist denn so interessant an meinen Händen?« fragte ich.
Sie lachte.
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