Die Krone von Camelot
meines Ranges zukam. Aber nach den ersten paar Meilen saß ich ab und brachte Sion dazu, sich mit Eivlin und mir abzuwechseln. Sion war ein alter Mann und Eivlin eine junge Mutter, die seit Jahren keinen Grund mehr gehabt hatte, zu Fuß zu gehen.
Es waren fünfunddreißig Meilen bis Ynys Witrin. Früh am Morgen ritten wir los, ehe die Sonne aufging, und kamen nach der Abenddämmerung an. Wir trafen auch andere auf der Straße, die den gleichen Weg hatten wie wir selbst. Manche kamen einzeln oder zu zweien, andere in großen Sippenverbänden wie Sions Familie. Sie waren mit allem möglichen bewaffnet, von uralten, rostzerfressenen römischen Schwertern bis zu Mistgabeln und Treibstöcken für Ochsen. Allen war unsere Gesellschaft lieb, und selbst diejenigen, die einander nie an einem Markttag begegnet waren, unterhielten sich bald eifrig über die Steuern und den Preis von Käse und Ale, seit die Märkte geschlossen waren. Niemand sagte etwas über den Krieg, was seltsam tröstlich war. Ich redete auch nicht viel. Ich ging oder ritt zwischen den anderen und horchte auf die festen Stimmen und sehnte mich so sehr nach Frieden und nach Sieg, daß ich manchmal glaubte, ich könne nicht mehr atmen.
Als wir in der Stadt Ynys Witrin ankamen, bestand Sion darauf, daß ich wieder den Hengst Schwerttänzer bestieg, damit ich mich den Wächtern am Tor so großartig präsentieren konnte, wie das für jemanden möglich war, der soviel Schlamm wie ich an seiner Kleidung hatte. So kamen wir durch die Stadt Ynys Witrin in einer Gruppe, die jetzt auf über dreißig Männer gewachsen war, und fingen an, den Hügel zur Burg hinaufzusteigen. Die Nacht lag schon schwer über den Marschen, und es war Neumond. Aber selbst bei hellem Tageslicht war es unmöglich, Camlann auf den buckligen Hügeln im Südwesten auszumachen, das wußte ich. Unmöglich -aber ich schaute immer und immer wieder hin.
Die Festungstore von Ynys Witrin waren fest verriegelt.
Aber überall standen dicht gedrängt Fackeln, und unsere Gruppe wurde lange, ehe wir die Tore erreichten, angerufen.
»Wir sind Untertanen des Kaisers Artus«, antwortete Sion im Namen der ganzen Gruppe und legte eine Hand auf die Schulter meines Pferdes. Er atmete schwer vom Steigen. »Wir sind gekommen, um uns Sandde anzuschließen und gegen Medraut zu kämpfen.« Das Fackellicht brach sich auf den notdürftigen Waffen, während die Tore geöffnet wurden.
Ich mußte den Wachen noch nicht einmal sagen, wer ich war. Ich ritt noch nicht durch die Tore, da wurde ich schon erkannt, angerufen und von den anderen abgesondert. Als ich bestätigte, daß ich in der Tat Gwynhwyfar, Tochter der Ogyrfan, war und daß ich mit dem Herrn der Festung reden wollte, da gab man mir wenig Zeit, mich von Sion zu verabschieden, bevor man mich zu Sandde führte.
Der Herr von Ynys Witrin machte sich mit seinem Schreiber gerade Sorgen über seine Rechnungslisten, als ich in sein Zimmer gebracht wurde. Als er mich sah, sprang er auf und kippte fast das Tintenfaß über das Pergament. »Lady Gwynhwyfar!« rief er aus und starrte mich an. Dann errötete er, verbeugte sich, packte meine Hand und hielt sie linkisch fest, während er lächelte. »Hochedle Dame, ich hatte gehört, was der Tyrann mit dir tun wollte, und ich hatte auch gehört, daß du geflohen bist. Ich bin sehr froh, my Lady, dich wiederzusehen. Cuall, hol Wein! Sie sagen, dein Mann ist fast wahnsinnig aus Angst um dich, my Lady. Aber ich bin sehr froh, dich zu sehen, ich erinnere mich noch sehr genau an deinen Edelmut von damals, als ich noch ein Junge war. Cuall! Ah, da ist er ja wieder. Trink einen Schluck Wein, edle Dame.«
Cuall, der Schreiber, schenkte mir Wein ein und bot mir seinen Platz am Schreibpult an. »Eben sind noch weitere sechsunddreißig mit der Lady angekommen«, sagte er seinem Herrn. »Ein Viertel von ihnen hat keine Vorräte.«
»So. Wie viele sind das zusammen?« fragte Sandde. »Zahl der Männer, meine ich, nicht der Vorräte.«
Cuall riß das Pergament vom Schreibpult. »Dreihundertvierundsechzig für heute. Zweihundertzwölf für gestern. Einhundertsechzehn vom Tag vorher. Zusammen mit denen, die in den ersten Tagen kamen, ehe wir die Erklärung abgaben, macht das eine Armee von siebenhundertvierzig. Deine eigenen Streitkräfte, zusammen mit den anderen Adligen, die zu uns gestoßen sind, kommen jetzt auf dreiundsechzig.«
»Siebenhundertvierzig!« rief Sandde aus. »Was sollen wir tun? Wie viele haben ihre eigenen
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