Die Krone von Camelot
nächsten Geburtstag, in ein paar Wochen, würde ich achtunddreißig werden. Ich wurde zu alt, um herumzulaufen wie ein Mädchen. Ich erinnerte mich an die Mädchen, mit denen ich gespielt hatte, als ich noch jung war, und ich versuchte mir vorzustellen, wie sie jetzt wohl aussahen. Sie waren sicher mit Landbesitzern und Bauern im Norden verheiratet und hielten ein kleines Haus in Ordnung oder verwalteten einen kleineren Hof. Sie waren nie auf der Schwertschneide der Macht gewandelt. Sie hatten wohl Kinder - ich dachte an eine, die ich kannte und die bei einer Geburt gestorben war. Vielleicht kämpften ihre Söhne jetzt in diesem Krieg. Aber wie hatten sie wohl gelebt, während all der Jahre? Sie hatten sich sicher mit wenigen Dienern gestritten, sie hatten am Webstuhl gesungen, gesponnen, gekocht, mit den Nachbarinnen geklatscht - und jetzt heulte der Krieg wie ein schwarzer Sturm vor ihren Türen. Sie waren jetzt Frauen, die vom Gebären breite Hüften und lange Brüste bekommen hatten, und ihre Gesichter waren wohl verwittert und gealtert durch das Land und die Sorge darum, durch die Zeit und durch den Frieden. Ich hielt inne, ging dann hinüber und nahm den Spiegel auf, der auf einem Tisch in der Ecke lag. Im Raum war es dämmrig, denn er war nur von einer Lampe erleuchtet. Eivlin und die beiden anderen jungen Frauen, die durch die überfüllte Burg in dieses Haus gepreßt worden waren, schliefen im Nebenzimmer. Ich konnte ihren ruhigen, gleichmäßigen Atem hören. Ich hob den Spiegel, damit er das Lampenlicht einfing, und die weiche Flamme hing in dem polierten Silber und warf das Licht auf mein Gesicht. Meine Augen sahen dadurch sehr dunkel aus. Mein Gesicht wirkte müde - aber nicht vom Land und sicher nicht vom Frieden. Meine traurige Müdigkeit schien mir auf den Knochen eingeprägt zu sein, und in diesem Licht, so dachte ich, wirkte ich vielleicht schon alt.
Ich legte den Spiegel hin. Gott oder das Schicksal hatten mich von all den anderen ausgewählt, hinter dem Webstuhl hervorzukommen und ins Herz des Sturmes zu treten. Ich war in den Blitzen und in dem schwarzen Wind eingefangen. Einmal, das fiel mir wieder ein, hatte ich mit Bedwyr über unser Reich gesprochen, das ein Schutzschirm gegen den Wind sein sollte. Ich war die schwache Stelle in dieser Barriere gewesen, die Stelle, wo sie nachgegeben hatte - jetzt war aller Frieden zerbrochen, und der Sturm kreischte herein.
Es war nicht genug Zeit, um über solche Dinge nachzudenken. Wenn ich überlebte, dann hätte ich Zeit zur Reue, aber jetzt. jetzt gab es viel zu tun. Ich legte mich hin und horchte, ehe ich einschlief, auf den Atem der jungen Frauen und den Wind, der draußen in den Dachbalken wehte.
Ich wurde aus tiefem Schlaf dadurch geweckt, daß jemand meine Schulter schüttelte und leise sagte: »My Lady! My Lady.« Ich mühte mich, wach zu werden, und setzte mich auf. Eivlin ließ die Hand sinken. »My Lady«, flüsterte sie, »sie sagen, es gibt Neuigkeit -einen Boten. Sie sagen, du sollst schnell kommen.«
Ich schüttelte mir das Haar aus den Augen, sprang auf und zog mir mein Kleid über, ohne vorher die Untertunika anzuziehen. Dann schlüpfte ich in ein paar Schuhe. »Wohin soll ich schnell kommen?« fragte ich Eivlin.
Sie reichte mir meinen Umhang. »Ins Hospital, my Lady. Sie sagen, der Bote stirbt.«
Ich hatte das Hospital in Sanddes Gästehaus eingerichtet, das groß und gut beheizt war. Um diese Zeit war es natürlich teilweise belegt, aber man konnte es ausräumen, und in dem anschließenden Lagerraum bestand auch die Möglichkeit zu heizen, wenn mehr Platz notwendig wurde.
»Ich gehe, und ich bleibe da, so lange ich gebraucht werde. Nein, komm nicht mit. Geh wieder schlafen. Der Mann, der dir das gesagt hat - ist der draußen?«
Er war draußen. Er hockte an der Tür, so daß er eilig beiseite rückte, als ich sie öffnete. Ein wüster Wind herrschte, der die Sterne blankgeblasen und kalt mitten am Himmel reingefegt hatte, obwohl im Westen ein Nebel wallte, der Schnee versprach. Ich schätzte, daß es ungefähr noch vier Stunden bis zur Dämmerung waren, und mich fröstelte. Wir gingen eilig zum Gästehaus. Wir liefen fast, um warm zu bleiben.
Sandde saß in dem schwacherleuchteten Raum, der hinter der Haustür lag, während ein paar Mitglieder der Armee auf Strohsäcken an der Wand lagen und versuchten zu schlafen. Der Herr von Ynys Witrin schaute sehr trübselig drein. Aber als ich hereinkam, sprang er wie immer auf, deutete
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