Die Krone von Lytar
davon abhalten, aufzustehen und zu ihr zu eilen. Tatsächlich handelte es sich bei der Frau um die Herrin Tylane, die Heilerin von Lytara, der jeder im Dorf mit dem größten Respekt begegnete und die so gut wie von allen Menschen im Tal geliebt wurde.
Als sich das weitere Geschehen nun vor ihren entsetzten Augen entfaltete, war Tarlon froh darüber, Elyra rechtzeitig fest- und ihr den Mund zugehalten zu haben. Der Drachenreiter stellte eine Frage, und selbst auf die Distanz konnten die Freunde das bittere Lachen der Sera Tylane hören. Dann spuckte sie ihm ins Gesicht, woraufhin der Drachenreiter kurzen Prozess machte. Er zog sein Schwert und enthauptete die Sera mit einem mächtigen Streich.
Elyra bäumte sich in Tarlons Armen auf, und ihrer Kehle entrang sich unwillkürlich ein gedämpfter Laut, dann sackte sie lautlos in sich zusammen. Garret reagierte als Erster. Er ging in die Knie, zog in einer einzigen fließenden Bewegung einen Pfeil aus seinem Köcher und beschmierte ihn mit den Resten des Blättersaftes. Anschließend legte er ihn auf die Sehne, zog den schweren Bogen elegant aus und ließ den Raben fliegen.
Es war ein unmöglicher Schuss in fast vollständiger Dunkelheit, zwischen Ästen und Gebüsch hindurch und an zwei Soldaten vorbei, dennoch traf Garret sein Ziel, und der Drachenreiter schrie auf. Der leichte Jagdpfeil hatte sich in seine Seite gebohrt. Er war genau in einen Spalt seiner Rüstung zwischen Front- und Rückenplatte knapp unter seiner Achselhöhle eingedrungen.
»Treffer!«, rief Garret und sprang auf. Schon legte er den nächsten Pfeil auf.
»Guter Schuss«, sagte Tarlon abwesend und ließ Elyra los. Nachdem Garrets Schuss den Soldaten ihre Anwesenheit verraten hatte, war es jetzt auch nicht länger nötig, sie ruhigzustellen. Tarlon war der festen Überzeugung, dass Garret einen Fehler gemacht hatte, den sie nicht überleben würden. Trotzdem konnte er ihm keinen Vorwurf machen. Er selbst hätte nicht anders gehandelt, wenn ihm wegen Elyra nicht die Hände gebunden gewesen wären.
Elyra, die wieder zu sich gekommen war, hatte sich mit steinernem Gesicht erhoben und ließ nun ihre Schleuder pfeifen, konnte aber auf diese Entfernung keinen Treffer landen.
»Lauft!«, rief Argor, denn in diesem Moment gab der Reiter, mit einer Hand den Pfeil in seiner Seite haltend, seinem Drachen ein Signal, worauf der große Kopf des Untiers langsam in ihre Richtung schwenkte. Eines seiner Augen war geschlossen, aber allein der Blick aus dem anderen Auge, voller Bosheit und Hass, reichte aus, um Tarlon einen Schauer über den Rücken zu jagen. Das Biest richtete sich auf und breitete seine gewaltigen Flügel aus.
»Rennt, was ihr könnt!«, schrie nun auch Garret.
Wie auf Kommando fingen sie an zu laufen. So schnell sie nur konnten, drangen sie immer tiefer in den Wald ein. Argor stolperte und wäre beinahe der Länge nach hingefallen, hätte ihn Tarlon nicht im letzten Moment am Kragen gepackt und wieder auf die Beine gezerrt. Hinter sich vernahmen sie den Flügelschlag des Biestes, gefolgt von einem lauten schaurigen Schrei, der ihnen durch Mark und Bein fuhr. Danach kam ein Rauschen auf, als ob ein mächtiger Wind wehen würde. Leise zunächst, wurde es immer gewaltiger, bis die Bäume hinter ihnen schließlich in einem gewaltigen Feuerball explodierten, dessen Hitze über sie hinwegfegte und Gras und Laub um sie herum entflammte.
»Zur Hölle mit dem Vieh! Verdammt in alle Ewigkeit soll es sein!«, keuchte Garret und wischte brennendes Laub von seinem Lederzeug.
Sei es, dass sie zu schnell für das Biest waren, sei es, dass der dichte Wald sie vor seinem Blick schützte. Oder aber, dass sie einfach nur Glück hatten. Jedenfalls schoss der Drache seitlich an ihnen vorbei, wo er einen weiteren Teil des Waldes in Flammen setzte. Die Freunde entkamen dem Inferno lebend, obwohl sie die Hitze des Feuers mehr als einmal in ihren Nacken spürten und der Wald hinter ihnen lichterloh brannte.
Minuten später vernahmen sie erneut den Schlag der mächtigen Schwingen über sich, aber diesmal schien das Biest sie nicht zu jagen, sondern in die Richtung der alten Stadt Lytar zu fliegen.
Keuchend ließen sich Elyra und Argor zu Boden sinken, Tarlon und Garret lehnten sich an den nächsten Baumstamm und sahen dem Feuer zu, das in der Ferne noch immer wütete. Sie hatten Glück im Unglück, denn mittlerweile war ein leichter Wind aufgekommen, der das Feuer von ihnen wegtrieb, sodass sie sich ohne Gefahr
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