Die Krone von Lytar
schimmernde Rüstung gekleidet und trug in jeder Hand ein Schwert. Noch ehe er sich versah, war die Sera verschwunden, so als hätte sie sich vor seinen Augen in Luft aufgelöst. Niemand, nicht einmal die anderen Hüter, die zu der Zeremonie ins Dorf zurückgekehrt waren, wussten, wo sie geblieben war.
Garret stand noch lange Zeit beim Schrein und musterte nachdenklich die Spuren, die Meliande im Gras hinterlassen hatte. In den alten Legenden der Sera Bardin war die Rede von mächtigen Zaubersprüchen gewesen, die es dem Magier erlaubten, innerhalb eines Wimpernschlags von einem Ort zum anderen zu reisen. Wie vieles andere auch hatte Garret dies nur für eine Erfindung gehalten. Aber die Sera Meliande stammte aus ebendieser alten Zeit, und offensichtlich verfügte sie über jene Macht, den Raum ohne Zeitverlust zu durchreisen.
Garret seufzte. Das war in der Tat Magie, die so zweckmäßig war, dass selbst Argor nichts dagegen würde einwenden können. Er nahm sich vor, die Sera Meliande, sobald sie zurückkam, zu fragen, ob sie ihn diese Magie lehren könnte.
Aber es sollte ein paar Tage dauern, bis man sie wieder sah, und zu dem Zeitpunkt war Garret bereits mit anderen Dingen beschäftigt.
Auch die Sera Bardin nahm an den Gottesdiensten teil, doch sie hielt sich zurück und sprach nur wenig. Jeder wusste, dass sie Kinder über alles liebte und unter den jüngsten Ereignissen litt. Denn jene Kinder, deren Leben in der vergangenen Nacht geraubt worden waren, hatten zu ihren Füßen gesessen und ihren Geschichten gelauscht, als der Händler das Feuer auf sie hatte herabfahren lassen.
So war der Krieg, wie Ralik später meinte, auch für sie zu einer persönlichen Angelegenheit geworden. Jedenfalls trug sie nicht länger ihr buntes Kostüm, sondern eine Kluft aus schwarzem Leder, und überall am Körper hatte sie Dolche und Messer versteckt. Auch waren ihre Haare jetzt zu einem strengen Zopf geknotet, der ihr ein kriegerisches Aussehen verlieh. Sie war nicht mehr die gutmütige Geschichtenerzählerin, die Garret als Kind so bewundert und geliebt hatte. Nun flößte sie ihm vielmehr Angst ein, denn aus ihren Augen war das Lächeln verschwunden.
An diesem und am folgenden Tag war jeder Dorfbewohner mit größtem Eifer damit beschäftigt, die Spuren des Geschehenen so schnell wie möglich zu beseitigen. Man kümmerte sich um die Verwundeten, schmückte den Tempel, und fast jeder fand Zeit, sich an den Arbeiten im Gasthof zu beteiligen.
Meister Braun, dessen wallende Mähne ein Opfer der Flammen geworden war, sodass man ihn kaum wieder erkennen konnte, markierte sorgfältig die Hölzer und Bohlen, die ausgetauscht werden mussten. Die große Säge hinter Hernuls Lagerhaus stand kaum noch still. Stundenlang gingen drei Männer in schwindelerregender Höhe auf dem großen Pendelbalken der Säge hin und her, das gewaltige Sägeblatt hob und senkte sich, um aus eingelagertem altem Holz neue Bohlen für Bodendielen, Tische und Bänke zu schneiden.
Holgar, der Schmied, riss die Tore seiner Schmiede sperrangelweit auf und stand ohne Unterlass an seinem Amboss, während die Esse hinter ihm geschürt war, als solle sie mit den Feuern des zweiten Höllenkreises wetteifern. Und die Bürger von Lytara brachten ihm alles, was sie an Rüstungen, Schwertern und Schilden finden konnten.
Er hatte niemals zuvor Harnische oder Schwerter gefertigt, sondern immer nur Nägel, Hufeisen und Beschläge. Doch nun tanzte sein Hammer über Klingen und Panzer, als hätte er nie etwas anderes getan.
Ralik, der Wagenbauer, baute nun keine Wagen mehr, stattdessen nahmen hinter seinem Schuppen vier seltsame Geräte langsam Form an. Sie sahen aus wie riesige Bogen, die mit Hebeln, Seilen und Rollen gespannt werden konnten. Mit ihnen war es möglich, Pfeile von der Länge eines Mannes zu verschießen. Sollte es der Drache wagen, zurückzukommen, würden Geschosse auf ihn warten, die er gewiss empfindlich spüren würde.
Auch Pulver war vollauf beschäftigt. Zusammen mit dem Gerber und dem Weber schnitt er lange Bahnen Leinen zurecht, bleichte, rollte und trocknete sie, um sie anschließend in geöltes Tuch einzunähen. Viele der Frauen des Dorfes beteiligten sich daran, denn es war nun jedem klar, dass der Krieg unvermeidlich kommen würde. Weil man nicht immer damit rechnen konnte, dass ein Priester auf wundersame Art die geschlagenen Wunden heilen konnte, musste man Vorsorgen. Die gekochten und gebleichten Stoffbahnen, so hatte es Elyra
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