Die Krone von Lytar
Seite, in dem er die ganze Zeit über gelesen hatte, und streckte sich, bis seine Knochen knackten. Er grinste von einem Ohr zum anderen. »Ich mag nun einmal Abenteuer. Ohne sie ist das Leben so trist.« Er trat an Hendriks heran. »Vielleicht habe ich den Wahnsinn geerbt, doch mit ihm auch den Verstand. Hört mehr auf meinen Rat, und Ihr habt eine Chance, Eure Tochter wieder zu sehen.«
Hendriks nickte, doch Knorre beachtete ihn nicht weiter, sondern sah nun die anderen an.
»Manchmal spricht der Wind ganz unvermittelt zu mir. Diesmal sagte er mir, ein jeder von uns werde den Tod in der alten Stadt finden, es sei denn, wir sehen ihn eher als er uns.« Seine Augen glänzten. »Euch, Hendriks, bricht ein Strick das Genick, wenn Ihr nicht auf Eure Hufe achtet. Tarlon wird ein Vogel den Tod bringen, greift er nicht nach seinen Krallen. Du, Garret, wirst im Fallen sterben, so du deinen Bogen nicht zur Hand hast. Elyra, du wirst in Mistrals Licht vergehen, wenn du nicht erkennst, dass dies nicht deine Bestimmung ist. Und du, Argor, wirst zwischen Stein, Wasser und Magie deine Bestimmung wählen.«
»Wo liegt denn da die Wahl?«, brummte Argor. »Schlimmer als Wasser ist doch nur die Magie!«
»Und was ist mit Euch, Meister Knorre?«, fragte Elyra etwas bleich.
»Ich …«, Knorre lachte. »Ihr alle habt Aussicht auf einen heldenhaften Tod, doch ich werde mir den Fuß brechen und daran ersaufen, wenn ich nicht auf den Weg achte!«
»Werden wir unser Ziel erreichen?«, fragte Tarlon leise.
»Woher soll ich das wissen?«, gab Knorre schulterzuckend zurück. »Sehe ich etwa aus wie ein Wahrsager? Doch wenn wir weiter zögern, ist es in der Tat zu spät.«
Er trat ans offene Fenster und sah hinaus. »Morgen Nacht wird es ein Gewitter geben, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wenn ihr es gut nutzt, sind eure Leute gerettet. Doch nur wenn ihr alle gewillt seid, den Preis zu zahlen.«
25
Vorbereitungen
Als sich Vanessa am nächsten Morgen zusammen mit ihrem Vater hinüber zum Gasthof begab, fühlte sie sich schon wieder einigermaßen gut. Noch am Abend zuvor hatte sich der Priester Erions um ihre Verletzungen gekümmert. Sein Gebet sollte verhindern, dass sich die Wunde entzündete, und außerdem die Heilung beschleunigen. Der lächelnde junge Mann, der zu Beginn des Sommerfestes die Leute aus dem Dorf getraut hatte, wirkte um Jahre gealtert, und die tiefen Falten um seine Mundwinkel herum schienen neu hinzugekommen zu sein. Dennoch hatte er ein aufmunterndes Wort für sie, und als er sie wieder verließ, schien es Vanessa, als ob es ihrem Arm und dem Rücken bereits besser ginge. Zumindest hatte sie ohne Schmerzen schlafen können.
Der Gasthof war so voll wie schon lange nicht mehr, doch auch hier war die Stimmung ernst. Pulver, der Bürgermeister, Ralik und Marten, der in seiner seltsamen Rüstung steckte, waren in ein Gespräch vertieft. Hernul eilte zu ihnen hinüber, während Vanessa neben Astrak Platz nahm, der recht betreten aus der Wäsche sah und unablässig auf seinen Pobacken hin und her schaukelte.
»Was ist denn mit dir los?«, flüsterte sie, während sie neugierig Ariel und die Sera Bardin ansah, die ebenfalls erschienen waren und am Tisch der Ältesten saßen.
»Mir tut der Hintern weh«, gab Astrak leise zurück. »Ich sehe ein, dass ich es verdient habe, aber dennoch …« Dann grinste er. »Es bleibt dabei, das war es mir wert.«
Einen Moment später erhob sich Ralik und kletterte auf den Tisch der Ältesten, damit ihn jeder sehen konnte.
»Wir werden gegen Mittag aufbrechen«, erklärte der Zwerg ohne Umschweife. »Nicht, um dem Feind in einer offenen Schlacht entgegenzutreten. Das wäre Selbstmord, wie wir nun wissen. Aber wir werden dafür sorgen, dass er uns nicht wieder überrascht. Marten hat gestern die Stadt aus der Luft erkundet. Zwei wichtige Dinge fand er heraus: Zum einen ist der Gegner sehr viel stärker, als wir gedacht haben, und zum anderen gibt es für ihn tatsächlich nur einen Weg, um aus der Stadt heraus zu unserem Dorf zu gelangen: die alte Königsbrücke.«
»Wie stark ist der Gegner denn?«, rief jemand aus der Menge. Der Zwerg sah Marten an, worauf dieser nickte und vortrat.
»Der Feind hat ein Hauptlager am alten Hafen errichtet. Ich bin nicht allzu nahe herangeflogen, aber ich vermute, dass dort zwischen zwölfhundert und zweitausend Soldaten lagern. Zudem sah ich, wie Soldaten entlang dem Weg zum Hafen Verschanzungen anlegen. Ich habe außerdem den Drachen
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