Die Krone von Lytar
Fehler. Das kommt vor. Doch in unserem Gewerbe bedeuten Fehler den Tod. Es ist so, und es wird immer so bleiben. Nur wenn du das niemals vergisst, werden unsere Leute nicht umsonst gestorben sein.«
»Ein harter Preis für eine Lehre«, flüsterte Rabea.
»Umso gewissenhafter solltet Ihr sie befolgen«, meinte Tarik, und Rabea wirkte erschrocken, als sie den harten Blick des Armbrustschützen auf sich ruhen sah.
Tarlon räusperte sich. »Was geschehen ist, tut uns leid. Einen solchen Tod gönnt man niemandem, nicht einmal seinem ärgsten Feind. Aber es geht nun darum, weiteres Sterben zu verhindern. Hauptmann, wir brauchen Eure Hilfe. Keiner von uns ist mit der Kriegsführung vertraut, und es heißt, die Stadt sei voller Monster. Werdet Ihr, auf unser Wort hin, das Angebot einlösen und an unserer Seite in die alte Stadt ziehen, um unsere Leute zu retten?«
Der Hauptmann sah Tarlon direkt in die Augen. »Nein. Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Beliors Streitkraft ist fast achtzehnhundert Mann stark und jeder Einzelne von ihnen gut ausgebildet und gerüstet. Ihre Positionen sind strategisch gut gewählt. Selbst eine bedeutend größere Streitkraft hätte keine Chance. Wenn man ihn besiegen will, dann nur außerhalb dieser verfluchten alten Mauern. Sucht Ihr meine Hilfe, Euer Dorf zu schützen, so werde ich sie Euch nicht verwehren, doch in die alte Stadt zu gehen, ist Selbstmord. So kann ich nicht entscheiden, denn meine Männer vertrauen darauf, dass ich gute Entscheidungen für sie treffe, auch wenn dieser Glaube in letzter Zeit vielleicht erschüttert wurde.«
Tarlon öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Hendriks hob die Hand. »Aber ich selbst werde euch begleiten. Tarik wird das Kommando über unsere Kompanie übernehmen und sie zu eurem Dorf führen, mit Rabea als Stellvertreterin. Wir werden euch helfen, euer Dorf zu verteidigen, und dies auch ohne ein Versprechen und ohne Gold. Aber ich werde niemanden in diese tote Stadt führen, dem sein Leben lieb ist.«
»Ich komme mit Euch, Vater.«
»Das wirst du nicht tun, Rabea Marana Eltine«, sagte Hendriks mit Nachdruck. »Vielmehr wirst du Tariks Anweisungen bis ins Letzte befolgen, selbst wenn er dir befiehlt, die Unterhosen der Kompanie zu waschen.« Seine Augen schienen sie an ihrem Platz festnageln zu wollen.
»Niemand von uns wird aus dieser verfluchten Stadt zurückkehren, zumindest nicht lebend. Alles, was ich habe und bin, lege ich nun in deine Hände, Tochter. Und wenn Tarik und Helge meinen, dass du weise und erfahren genug bist, wirst du die Führung der Kompanie übernehmen, damit du die Möglichkeit erhältst, unseren Leuten und dir selbst ein Zuhause und eine Zukunft zu sichern.«
»Aber Vater …«, stammelte sie, doch Hendriks wandte sich von ihr ab und schritt zu Tarik hinüber. »Pass auf sie auf!«
»Das kannst du nicht machen, Vater!«, rief Rabea.
»Ich kann es nicht nur, ich muss es sogar tun. Denn dort, wo das Amulett deiner Mutter seine Heimat findet, liegt auch die unsere. Das waren die letzten Worte deiner Mutter, Rabea. Vor allen Göttern schwor ich damals, dass ich diese Heimat suchen würde. Nun haben wir sie gefunden, und du wirst hingehen und sie mit deinem Leben verteidigen.«
Rabea war blass, aber sie nickte, während Tarik an sie herantrat und beruhigend seine Hand auf ihren Arm legte.
»Was ist mit Esram?«, fragte er dann in den Raum, und als habe man sie damit gerufen, erschien Elyra im Treppenaufgang. Sie war bleich und über und über mit Blut beschmiert.
»Er weilt nun bei der Göttin«, teilte sie ihnen mit schwacher Stimme und hängenden Schultern mit.
»All meine Kunst vermochte nicht mehr zu tun, als ihm die Reise zu erleichtern. Doch Euer anderer Mann ist versorgt. Ich kürzte ihm die Fingerknochen und vernähte die Haut. Er wird die Hand behalten und sogar die Fingerstümpfe wieder benutzen können.«
»Das ist mehr, als man bei der Wunde hätte erwarten können«, sagte Tarik, und auch der Hauptmann nickte, bevor er sich wieder an die Freunde wandte.
»Wenn ihr diesen Selbstmord tatsächlich vorhabt und er nicht völlig sinnlos sein soll, müssen wir bald aufbrechen«, ermahnte er sie. »Und damit ihr nicht schon am Anfang scheitert, braucht ihr einen Führer.« Er sah Knorre an. »Sosehr es mir missfällt!«
»Eigentlich braucht niemand einen Führer, denn jeder hat seinen Stern, der ihn leitet. Doch um euch zu beraten, begleite ich euch gern.« Knorre erhob sich, legte das Buch zur
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