Die Krone von Lytar
habt, weil die Angst unnötig ist oder gerade weil sie nötig wäre?«
Selbst durch die dunklen Sehschlitze des Visiers fühlte Vanessa den Blick der dunklen Sera auf sich ruhen. Tarlon richtete sich zu seiner vollen Größe auf und machte einen Schritt nach vorne, sodass er nun schützend vor seiner Schwester stand.
»Das Gleiche dachte ich auch gerade«, sagte er ruhig.
»So erfolgreich scheine ich dann ja doch nicht gewesen zu sein«, antwortete die Hüterin. »Aber Ihr vergaßt eine dritte Möglichkeit.«
Bevor jemand fragen konnte, was sie meinte, sprach einer der anderen Gerüsteten. »Bei den Göttern! Ihr seid Familie, und euer Kommen kündet das Ende unseres langen Dienstes an. Glaubt ihr, wir sind erfreut, euch hier kauern zu sehen, mit kaum verhohlener Angst und Misstrauen? Meint ihr etwa, wir wären hier geblieben, weil es uns gefällt, Kinder zu erschrecken?«
»Wir sind keine Kinder«, begehrte Garret auf.
»Das seid ihr wahrlich nicht«, sagte die Sera bestimmt. »Also legt auch dieses Denken ab. Ihr seid willkommen hier. Ihr seid nicht diejenigen, derentwegen wir hier Wache stehen. Aber sagt: Steht der Konvent noch? Werden unsere Dienste noch benötigt, oder können wir zur Ruhe kommen?«
»Entschuldigt, Sera«, sagte Vanessa leise. »Ich fühlte nur, wie schnell die Angst schwand. Ich selbst bin nicht leicht zu umgarnen, daher unterstellte ich Euch einen Trick der Barden.«
»Solche gibt es, zweifelsfrei«, sagte die dunkle Sera leise. »Aber hier … Wir sind verborgen hinter Stahl und Magie, doch ich sage euch, wir wollen euch nichts Böses. Es war keine Magie, die euch die Angst nahm. Was ihr spürt, ist, dass Blut hier gleiches Blut erkennt, nur getrennt durch die Zeit, doch verwandter, als ihr glauben mögt. Wenn jedoch der Konvent nicht mehr besteht, sind wir gerne bereit, euch von unserer Gegenwart zu erlösen.«
»Mehr als nur bereit«, fügte ein anderer der fünf mit einem tiefen Seufzer hinzu.
»Es tut mir leid«, sagte Tarlon und schüttelte den Kopf. »Der Konvent besteht noch immer.«
»So sei es«, sagte die Sera und seufzte. »Nun gut. Konntet ihr finden, was ihr suchtet?«
»Nein«, antworte Elyra. »Ich wollte nur dieses Buch hier.« Sie hielt es hoch. »Ist es gefährlich?«
»Lasst sehen«, sagte die dunkle Sera und streckte die Hand aus. Metall und Leder knirschten, und kleine Rostkrümel fielen herab. Sie öffnete das Buch und warf einen kurzen Blick hinein. »Nun, das Buch ist nicht gefährlicher als das, was Ihr hineingeschrieben habt.« Sie reichte Elyra das Buch zurück. »Wie ich sehe, beschäftigt Ihr Euch mit den Künsten der Magie. Wo habt Ihr das gelernt?«
»Von der Sera im Brunnen«, antwortete Garret, während Elyra von dem Buch in ihren Händen aufblickte zur dunklen Sera.
»Es ist verboten, die alten Künste zu studieren«, sagte einer der anderen. »Aber wenn es die Sera im Brunnen war, dann wird dies seine Richtigkeit haben. Was haben Melkor und Ranath gesagt, als ihr dort gefragt habt?«
»Melkor und Ranath?«, fragte Argor.
»Wieso ist es in Ordnung, wenn uns die Sera im Brunnen etwas lehrt? Sie ist doch nur eine Statue«, fragte Garret.
»Könnt Ihr diese Schrift lesen?«, fragte Elyra.
Die Sera lachte und hob eine Hand. »Alles der Reihe nach. Melkor und Ranath sind unsere Brüder, die die Akademie der magischen Künste bewachen, um das Wissen vor denen zu schützen, die nicht von Lytar sind. Ich sagte ja, wir sind sieben. Und die Sera im Brunnen ist nicht nur eine Statue. Sie weiß, was sie tut. Und ja, natürlich können wir die Schrift lesen. Wir haben alle eine Tempelausbildung erhalten.«
»Oh«, meinte Elyra und musterte die Sera auf eine Art und Weise, die Tarlon kannte.
Bevor jemand anders etwas sagen konnte, sprach Garret:
»Es tut uns leid, aber eure Brüder sind tot. Was auch immer die Magie für Euch getan hat, dass Ihr noch lebt, bei ihnen versagte sie.«
Die fünf sahen einander an. »Es tut uns leid, dies zu hören«, sagte der Gerüstete mit dem Wappen eines Bären auf seinem Schild. »Sagt, wäre es euch möglich, die Gebeine unserer Brüder und deren Rüstungen zu uns zu bringen?«
»Solange der Konvent besteht, sind wir an diesen Ort gebunden«, erklärte die Sera bedauernd. »Wenn ihr uns diesen Gefallen tun könntet, wären wir euch sehr dankbar.«
»Wie sieht dieser Dank denn aus?«, fragte Garret und gab einen Grunzlaut von sich, als Elyra ihm mit überraschender Stärke den Ellbogen in die Seite rammte. Auch
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