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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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allgemeine Durcheinander, sprang aus dem Fahrzeug und machte sich davon, alles hob Ziegelsteine auf und hinter ihm her. Und ich mittendrin eingeklemmt. Es war alles viel zu unübersichtlich, im Nu hatte ich meine Kollegen aus den Augen verloren. Ich konnte sie nicht wiederfinden, also habe ich mich vollkommen ziellos und blindlings treiben lassen. So bin ich, ohne zu wissen wie, zum Eingang des Fuxing-Krankenhauses gekommen. Da sind die Menschen in Massen rein und raus, alle sagten, sie gingen nach den Toten schauen. Also bin ich mit rein. Viele Bürger hatten Kameras dabei, es klickte dauernd, die Leichen waren mit weißen Tüchern bedeckt, auf den Tüchern zeichneten sich Blutflecke ab. Mutige rissen die weißen Tücher herunter und deckten die Leichen auf, die Studentenausweise, Arbeitsausweise, Personalausweise, Demobilisierungsausweise bei sich trugen. Sie hatten am Kopf, in der Brust, im Bauch oder in der Leiste Einschusslöcher, das Blut war geronnen, sie waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt, es war entsetzlich. Einem Studenten hatte es sogar eine Gesichtshälfte weggerissen. Mein Gott!
    LIAO YIWU:
    Wie viele Leichen waren es?
    LI HONGQI:
    Allein auf den Wegen des Krankenhausparkplatzes waren es gut ein Dutzend. In den Krankenzimmern waren es noch viel mehr, aber mir kam es hoch, also bin ich nicht weiter reingegangen, sondern habe mich mit dem Strom nach draußen tragen lassen, ganz apathisch, wie eine Marionette. Ich weiß nicht, wie lange das so ging, als ich gut tausend Leute sah, die ein paar Soldaten umlagerten, und diese Handvoll Soldaten machten bittere Gesichter und rechtfertigten sich, was zum Teufel sie denn gewusst hätten, was hier los sei? Die Truppe sei in Camps isoliert worden, sie hätten weder fernsehen dürfen noch Zeitungen lesen. Vor dem Alarm hätte es geheißen, das sei ein militärisches Reißverschlusstraining und so weiter.
    Um die Wahrheit zu sagen, mir haben sie leidgetan, sie sind wahllos auf die einfachen Leute gehetzt worden. Damals habe ich gesehen, wie nicht weit entfernt ein paar Leute mit schweren Spitzhacken auf ein gepanzertes Fahrzeug los sind, sie wollten ein Teil als Souvenir mit nach Hause nehmen. Ich bin hin und habe zu ihnen gesagt, dieses blutige Zeugs haut ihr besser in Klump, und fertig. Und dann habe ich mir so eine Spitzhacke geschnappt und habe die vier vorderen Scheinwerfer kaputtgeschlagen. Dann habe ich das Maschinengewehr auf dem Dach abmontiert. Einer war noch besser, der hat sich eine Armeetasche umgehängt, die war voller Rauchgranaten, die er irgendwo aufgelesen hatte, er zog die Leine und warf sie in den gepanzerten Wagen, aus dem sofort Qualm kam. Ich war neugierig, wollte auch eine, habe die Leine gezogen, aber ich war nervös, und auf einmal war es, als würde ich in Flammen stehen, da habe ich sie schnell in das Fahrzeug geworfen – das ist dann später mein »Straftatbestand« gewesen, ich wurde beschuldigt, ein Maschinengewehr entwendet, Rauchgranaten geworfen, einige Personen verletzt und Eigentum des Militärs zerstört zu haben, und so weiter und so fort.
    LIAO YIWU:
    Und dann?
    LI HONGQI:
    Damals sind eine ganze Menge Panzerfahrzeuge zu Schrott gegangen, in der Stadt, drinnen und draußen, eine große Menge großkalibriger Maschinengewehrmunition ist verlorengegangen. Die haben die Leute gesammelt, ich habe auch aus einem Plastikeimer zwei Hosentaschen voll herausgeholt, dann habe ich noch nebenbei einen Stahlhelm aufgegabelt, viele Leute haben brandneue Stahlhelme mitgenommen und haben noch Späße gemacht und gemeint, die nehmen wir mit nach Hause und benutzen sie als Kochtöpfe, die Qualität ist sicher besser als die normalen Stahltöpfe.
    Wir waren gerade mit prallgefüllten Taschen auf dem Rückweg, als ich wieder zwei Soldaten gesehen habe, die von den einfachen Leuten umzingelt wurden. Alle haben ihrem Zorn und ihrer Empörung Luft gemacht, alle haben wortreich der Armee Gräueltaten und Mord vorgeworfen, und nun raten Sie mal, was die beiden Jungspunde gemacht haben? Sie haben sich auf einmal mit den Maschinengewehren über dem Kopf auf den Boden gekniet! Ist das nicht herrlich? Bisher hatten sich nur die Räuberbanden der Guomindang-Armee ergeben, in roten Filmen, wieso machte das jetzt die Rote Armee sogar in der Realität? Ich fand das sehr bizarr, schlug mit dem Stahlhelm gegen sie und sagte, was soll das heißen, ihr ergebt euch dem einfachen Volk? Wenn ihr etwas zu sagen habt, setzt euch hin und sagt es. So haben die beiden

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