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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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erst einmal aufgeatmet, die Gewehre weggeworfen und angefangen, mit den Leuten zu reden.
    Ich bin so gegen halb elf mit dem Rad nach Hause, ich hatte reiche Beute gemacht, einen Stahlhelm, Munition, Tränengasgranaten. Noch ein paar Tage nach dem 4 . Juni war ich ganz aufgeregt, habe die Sachen herausgeholt und herumgezeigt. Mein Vater hat sofort gesagt, du bist wohl lebensmüde, wirf das Zeug sofort in den Abfalleimer! Mein alter Herr hat politische Kampagnen mitgemacht, er wusste, dass am Ende abgerechnet werden würde, und das nicht zu knapp. Aber ich war jung und unerfahren und bin wie immer zur Arbeit gegangen und habe mir nichts daraus gemacht. Ich glaubte, Leute wie ich, die auf der Straße herumgelaufen waren, die würden, wenn sie überhaupt gefasst werden, höchstens für ein paar Tage festgehalten werden, so als Warnung.
    LIAO YIWU:
    Eine Fehleinschätzung der Lage.
    LI HONGQI:
    Eine Woche nach dem 4 . Juni ist die erste Gruppe der Rowdys hingerichtet worden. Unter ihnen war ein gewisser Wang Lianxi, dem haben sie die Todesstrafe auf Bewährung umgewandelt, weil er sie nicht mehr alle hatte. Und da war noch ein kleiner Junge, der wurde, weil er die Kekse aus einem Militärfahrzeug aufgegessen hatte, wegen »Plünderung von Militäreigentum« verurteilt. Die Leute waren wirklich beunruhigt. Das Ende vom Lied war, dass ich am 13 . Juni verhaftet wurde.
    Ich hatte meiner Vorahnung nicht vertraut, aber tags zuvor um neun Uhr abends bin ich zur Arbeit, es war dunkel, es regnete leicht, niemand stieg ein, also habe ich nach einer alten Gewohnheit angefangen, die Geldscheine zwischen den Fingern zu zählen, da auf einmal, es war schon sehr sonderbar, da ist mir ein Ein-Kuai-Schein aus der Hand geflattert. Ich habe den ganzen Bus abgesucht, nichts, ich musste den Fahrer anhalten lassen, bin ausgestiegen und habe draußen gesucht. Der Schein lag über zehn Meter vom Bus weg im Straßengraben, ich habe mich gebückt, ihn aufgehoben und am ganzen Körper eine Gänsehaut bekommen.
    LIAO YIWU:
    Haha, hat der alte Himmelsvater dich aufgefordert, dich aus dem Staub zu machen?
    LI HONGQI:
    Das habe ich nachher auch geglaubt, aber damals habe ich überhaupt nichts begriffen. Ich bin in unsere Unterkunft zurück und habe mich bettfertig gemacht, sehr viele Kollegen saßen herum und haben ferngesehen, gerade wurden die Studentenführer steckbrieflich gesucht. Ich habe nur kurz hingesehen, mir schlug das Herz bis zum Hals, aber ich habe nicht gewagt, weiter darüber nachzudenken. Es war schon nach zwölf in der Nacht, ich schlief und habe, wie man mir erzählt hat, laut geschnarcht, als ich auf einmal das Gefühl hatte, ich werde von einem großen Messer aufgespießt. Ich blinzelte, mein Gott, da war alles voller Soldaten, manche mit Schirmmützen, manche mit Stahlhelmen und alle mit geladenen Gewehren im Anschlag. Der leitende Offizier fragte: Sind Sie Li Hongqi? Ich war noch im Halbschlaf und nickte. Klack, kamen direkt die Handschellen. Ich sagte, ich habe ja noch keine Hosen an, ich bitte Sie, lassen Sie mich meine Hose anziehen, bevor wir gehen. Sie grinsten widerwärtig, denn in der Unterkunft vor den Kollegen mussten sie revolutionären Humanismus an den Tag legen. Aber kaum waren wir aus dem Tor der Firma raus, als ein paar von den Bullen es nicht mehr erwarten konnten und mir ein paar schallende Ohrfeigen verpassten. Mir wurde schwindlig, und ich verlor die Orientierung, sie warfen mich in einen Polizeiwagen, ein gutes dutzend Paar Lederstiefel kamen über den Boden geschlurft. Eine Stimme fluchte: Du bist doch so clever und versteckst Gewehrmunition, hol sie doch raus und schieß!
    Als wir auf dem Revier waren, kam ich noch nicht in eine Zelle, sondern bin auf ein Mitglied der Volksverteidigung gestoßen. Der trug eine rote Armbinde, ganz genau wie die SA der Nazis, der hat mir ein paar mit dem Lederriemen übergezogen: Kennst du mich noch, sagte er, du Affe? Ja, ich kenne dich noch, nickte ich. Gut, meinte er, wir werden jetzt mal ein Weilchen eine dunkle Rechnung begleichen. Anschließend ging die Tür zu, dann haben sie aus mir einen Fußball gemacht, ich weiß nicht, wie viele mich getreten und gestoßen haben. Ich konnte gerade noch »Himmel« sagen, als sie mir zwei Zahnpastatuben in die geschwollenen Backen schoben und noch ein Arzneifläschchen aus Plastik, außenrum kam dann noch ein Klebeband, das haben sie prall zugezogen, mir tropfte das Blut und der Speichel aus dem Mund. Die Kleider haben sie mir

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