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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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gesellt sich gern. Ich habe auch in Shenzhen eine Reihe von sensiblen Persönlichkeiten kennengelernt, wie zum Beispiel den Studentenführer Ma Shaofang, die Gelehrten He Qinglian und Mao Yuyuan, und habe aktiv an den Seminaren, die sie veranstalteten, teilgenommen. Seither habe ich mich noch stärker an die Demokratiebewegungen im In- und Ausland angeschlossen und die strikte Beobachtung der Polizei auf mich gezogen. Mitten in der Nacht ist meine »Befristete Aufenthaltsgenehmigung« mehrfach kontrolliert worden, am Ende haben sie mich einmal mitten auf der Straße angehalten und mich in das Yinhu-Asyl gesperrt, weil meine Aufenthaltsgenehmigung angeblich abgelaufen war. Daraufhin habe ich zweihundertfünfzig Kuai für meine eigene »Kaution« bezahlt und wurde unter Aufsicht aus Shenzhen weggebracht. Der Polizist meinte höflich, Liu Shui, Shenzhen mag Sie nicht, gehen Sie besser dorthin, wo Sie hergekommen sind!
    LIAO YIWU:
    Und was war dann Ihre nächste Station?
    LIU SHUI:
    Wieder Shenzhen. Ich habe auf dem Absatz kehrtgemacht, bin heimlich zurück, habe eine Weile die Füße ruhig gehalten und dann bei der
Dazhoubao
angefangen, wieder als Reporter. Später habe ich dann die Lehre daraus gezogen und mich in einiger Entfernung zur Demokratiebewegung gehalten, aber mich ganz auf die Gesellschaftsnachrichten konzentriert. Damals waren die Zeitungen im Süden am mutigsten, ich fühlte mich wie ein Fisch im Wasser, habe nebenher noch für die
Nanfang dushibao
und die
Shenzhou wanbao
gearbeitet, habe an ein paar sensible Themen gerührt und war der Polizei wieder ein Dorn im Augen.
    LIAO YIWU:
    Und weiter?
    LIU SHUI:
    2004 saß ich wieder in der Patsche. Diesmal war es »Der Fall des Freiers Liu Shui«, der im Netz heftige Wellen schlug.
    LIAO YIWU:
    Dreimal hoch und dreimal wieder runter.
    LIU SHUI:
    Ich war nicht vorsichtig genug bei der Wahl meiner Freunde, so bin ich der Polizei in die Falle gegangen.
    LIAO YIWU:
    Nicht vorsichtig genug bei der Wahl Ihrer Freunde? Sie werden doch keinem Informanten aufgesessen sein?!
    LIU SHUI:
    Ich habe im Restaurant einen kennengelernt, er hieß Wu, und weil er gerne reaktionäre Bücher las, hatten wir den gleichen verdorbenen Geschmack. Das Ende vom Lied war, dass der Kerl ein Glücksspieler war, und wenn er sich in den Untergrundkasinos herumtrieb, ist er von der Polizei ein paarmal verhaftet worden. Und weil sie ihn damit in der Hand hatten, hat er für sie den Informanten gemacht. Aber ich habe das nicht gewusst. Obwohl ich schon »zweimal in den Palast eingefahren« war, war mein Charakter noch immer sehr einfach, daran sind meine literarischen Ideale schuld.
    In dieser Zeit war ich mit diesem Wu ganz dick, wir haben ein bisschen gesoffen und uns gegenseitig Gedichte vorgetragen. Eines Abends, es war besonders heiß, hat sich dieser Wu zu einem Nachtbummel in der Sonderverwaltungszone mit mir verabredet. Wir gingen und blieben stehen, wir redeten und lachten, wir aßen Wassermelone und tranken Bier, es war sehr gemütlich. Dieser Wu sagte, er hätte es ein bisschen im Kreuz, er wolle einen Ort suchen, wo er sich massieren lassen könne. Ich war einverstanden, in Shenzhen ist es ganz normal, dass man sich massieren lässt.
    LIAO YIWU:
    In Chengdu auch. Reguläre und irreguläre Massagesalons gibt es wie Sand am Meer.
    LIU SHUI:
    Richtig, richtig, in der Regel sind die Läden unterste Schublade, ganz einfache Ausstattung, eine Stunde Massage für zwanzig, dreißig Kuai. Etwas bessere kosten siebzig bis achtzig. Wir haben in einer Straße ein paar davon aufgesucht. Am Ende waren wir zufrieden und haben selbstbewusst einen Preis ausgehandelt.
    LIAO YIWU:
    Ging es da nicht mit rechten Dingen zu?
    LIU SHUI:
    Es war nichts auszumachen. Auch der Preis war akzeptabel. Ich kam gerade von der Toilette, als das Massagefräulein kichernd meinte, Ihr Freund ist ein ziemlich guter Freund, er hat alles im Voraus bezahlt. Ich habe mich mehrfach bedankt, es war mir sehr peinlich. Anschließend habe ich die Massagesachen angezogen, mich hingelegt und mir von dem Mädel den Rücken massieren lassen. Dieser Wu ist in den Raum nebenan, wir haben noch ein paar Minuten geplaudert, dann war kein Laut mehr zu vernehmen.
    Nach etwa fünfzehn Minuten war ich so entspannt, dass ich etwas eingenickt bin. Aber auf einmal ist mit einem Schlag die Tür aufgeflogen. Ich bin jählings hoch, weil ich noch glaubte, das sei ein Überfall. Aber das Licht ging an, taghell, eine Gruppe von Leuten mit Kameras auf

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