Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
Vom Netzwerk:
Gefängnis Nr. 2 verlegt worden, da bin ich mit ihm zusammengekommen. Ich habe ihn immer sehr geschätzt. Damals war ich in der Wachstube Mädchen für alles, das war ein bisschen lockerer als in der Werkstatt. Ich erinnere mich, dass Jiang Qisheng einen Aufsatz geschrieben hatte, und als seine Frau ihn im Gefängnis besuchte, hat er ihn ihr heimlich zugesteckt, um ihn draußen zu veröffentlichen. Weil ich in der Wachstube war, war ich dafür zuständig, ihre Telefonate mitzuhören, und wurde so in die Sache mit hineingezogen und sofort wieder zur Arbeit in der Werkstatt zurückgeschickt, ein Abstieg. Mein Vater ist ein ängstlicher Mann, wenn er davon gewusst hätte, hätte er keine Ruhe mehr gefunden und Angst gehabt, ich könnte einen Fehler gemacht haben, der meine Begnadigung beeinflussen würde. Schon einen Monat nach seiner ersten Operation besuchte er mich und hörte gar nicht mehr auf, mir ins Gewissen zu reden.
    Am 13 . Mai 2003 ist er gestorben. Der Chirurg, der ihn operiert hatte, war ganz bestürzt, die Operation sei doch so erfolgreich verlaufen, entsprechende Fälle hätten mindestens noch fünf Jahre gelebt, wieso er schon nach einem Jahr gegangen sei? Ach, zu Hause wussten alle genau, wieso. Mein Vater war alt und wie eine Kerze im Wind, und dann die vielen Sorgen, die er sich meinetwegen machte, wie hätte ihn das nicht umhauen sollen?
    LIAO YIWU:
    Und Ihre Frau?
    DONG SHENGKUN:
    Ist schon lange weg. In den ersten Jahren, nachdem ich eingefahren war, hatte sie noch Hoffnung und glaubte, nach drei bis fünf Jahren würde der 4 . Juni rehabilitiert werden. Als dann meine Strafe in lebenslänglich umgewandelt wurde und sich auch draußen alles so sehr veränderte und nicht mehr vom Vaterland, sondern nur noch vom Geld die Rede war, fiel der Schatten der Resignation über sie, und sie schlug die Scheidung vor. Natürlich habe ich das verstanden, eine alleinstehende Frau mit einem Kind hat es schwer. Als ich ins Gefängnis kam, war meine Tochter erst drei Jahre alt, jetzt ist sie einundzwanzig.
    LIAO YIWU:
    Als ich reinkam, war meine Tochter noch im Bauch ihrer Mutter.
    DONG SHENGKUN:
    Wie viele Jahre haben Sie gehabt?
    LIAO YIWU:
    Kein Vergleich mit Ihnen.
    DONG SHENGKUN:
    In den 4 . Juni-Familien sieht es überall mehr oder weniger gleich aus, es sei denn, jemand hat besonders stabile Nerven, wie Xu Wenli, die Frau von Jiang Qisheng, die mit Freude draußen jahrelang das Leben einer lebenden Witwe geführt hat.
    Erinnern Sie sich an Lu Decheng? Das war der, der während der Studentenbewegung auf dem Tiananmen dem Bild des alten Mao faule Eier angeboten hat. Hehe, als er rauskam, ist er zuerst heimlich über die Grenze nach Thailand und später nach Kanada. Ich selbst war noch nicht lange draußen, als er mich über das Internet angerufen hat, um über die alten Zeiten zu reden. Als er hörte, dass Zhu Yu, der damals im Nr. 7 mit ihm die Zelle geteilt hatte, auch draußen ist, wollte er auch mit ihm sprechen. Wenn er irgendwelche Schwierigkeiten habe, müsse er im Ausland etwas für ihn tun. Ich habe seinen guten Willen weitergegeben, und Zhu war auch einverstanden, mit ihm zu telefonieren. Aber wie es so geht, seine Frau persönlich hat es verhindert, sie hat ihm unmissverständlich klargemacht, dass sie es nicht erlauben werde, dass ihr Mann noch einmal mit diesen Leidensgenossen vom 4 . Juni herummengt. Sonst werde sie auf der Stelle einen Nervenzusammenbruch bekommen.
    Wer konnte dagegen etwas sagen? Sie hat so viele Jahre auf ihren guten Zhu gewartet, sie hat sich nicht scheiden lassen, man kann sie mit Fug und Recht als eine Jeanne d’Arc bezeichnen. Mir blieb nichts anderes übrig, als Lu Decheng entsprechend zu antworten. Er sagte, er könne das verstehen, er habe Ähnliches erlebt. War so ein Telefonat wirklich nur ein Furz? Oder würden sie einen tatsächlich dafür verhaften? Lu Decheng war der gleichen Ansicht, vielleicht fühlte er sich einsam im Ausland und machte sich Sorgen um die Kameraden, die mit ihm in den ganzen Schlamassel geraten waren. Ach, ich komme vom Thema ab.
    LIAO YIWU:
    Was haben Sie im Knast gemacht?
    DONG SHENGKUN:
    Alles. Kleider genäht, Umhängetaschen hergestellt, Stäbchen verpackt, Plastikhandschuhe für den Export nach Amerika verarbeitet, sogar einfache Bauernarbeit. Die alten Rüstungen aus dem Film »Der Fluch der goldenen Blume« von Zhang Yimou, die haben alle wir gemacht, auch die Gefängnisse haben auf den Aufruf der Partei reagiert und angefangen,

Weitere Kostenlose Bücher