Die Kugel und das Opium
verschränkten Armen, schlampig und noch nicht richtig wach. Aber das war mir egal, ich sagte geradeheraus, dass ich das Zimmer mieten will. Er sagte, kein Problem, gehen Sie erst einmal rein und schauen Sie es sich an, ob es Ihnen zusagt. Die Tür war kaum einen Mann hoch, ich musste den Kopf einziehen; es dauerte, bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt hatte und etwas erkennen konnte. Der Raum hatte ein paar Quadratmeter, ein Bett aus Brettern und Bänken, aber Bettzeug und Matratze waren ordentlich. Es musste reichen, alles andere war egal, Hauptsache, wir waren von der Straße.
Ich fragte, wie viel er für einen Monat wolle.
Er sagte, vierhundert.
Ich sagte, wenn vierhundert, dann vierhundert, ich hole noch jemanden, am Mittag bekommen Sie Ihr Geld. Er zögerte etwas, mir schlug das Herz bis zum Hals, Himmel, haben wir denn noch nicht genug durchgemacht?
LIAO YIWU:
Ganz wie das Lied in der alten Oper, wo es heißt, ein halber Kupferling rafft einen ganzen Helden hin.
LIU YI:
Aber der Vermieter war einverstanden. Anschließend bin ich im D-Zug-Tempo zurück und habe meine Mutter, die im Begriffe war umzufallen, abgeholt und erst einmal untergebracht. Jetzt ging die alte Dame auf die achtzig und hatte zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Verbrecher zu tun, mit ihrem unwürdigen Sohn Liu Yi.
LIAO YIWU:
Wie ging es weiter?
LIU YI:
Ich bin mit meinen sechsundzwanzig Kuai in der Tasche zu meiner Schwester. Raten Sie, was meine Schwester und mein Schwager als Erstes sagten, als sie mich sahen?!
LIAO YIWU:
Da muss man nicht viel sagen, am besten ist es, man bringt einem einfach eine Schale mit Nudelsuppe.
LIU YI:
Ich kam rein, sie haben mir keinen Stuhl angeboten, wir drei standen da. Meine kleine Schwester sagte, aha, da bist du also wieder.
Ich sagte auch, da bin ich wieder.
Anschließend habe ich erzählt, wie ich mit Mutter durch die Straßen geirrt war, aber ohne jeden Groll gegen meinen Bruder und seine Frau. Aber der Mann meiner Schwester hat das wohl falsch verstanden, oder er hat es falsch verstehen wollen, gesagt hat er jedenfalls, wer sich an Leuten wie dir, die nicht wissen, was die Stunde geschlagen hat, die Hände schmutzig macht, der ist zu bedauern.
Ich sagte, ich habe immerhin dafür gesorgt, dass meine Schwester studiert hat, wie kannst du dir erlauben, so auf mich herabzusehen? Wenn es nicht um Mutter ginge, wäre ich ums Verrecken nicht durch diese Tür getreten.
Mein Schwager sagte, aber du bist noch nicht verreckt, und schwupp, hier steht er.
Ich sagte, es reicht! Das ist diesmal etwas anderes. Ich, Liu Yi, schwöre beim Tiananmen und bei den Brüdern, die dort ihr Leben gelassen haben, wenn ich es in dieser Gesellschaft von Scheißkerlen nicht zu etwas bringe, dann bringe ich mich um.
LIAO YIWU:
Dass Blutsbande zu so einem fürchterlichen Schwur führen!
LIU YI:
Wieder auf der Straße, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. An diesem Tag habe ich mir in der Nähe vom Hotel ein Rad mit Beiwagen geliehen, bin mit meinem Kapital von sechsundzwanzig Yuan in aller Frühe zum Gemüsegroßmarkt, dann bin ich in die Geschäftsviertel und habe mit Gewinn verkauft. Ich dachte mir, wenn der Himmel mich vernichten will, dann macht mir die Stadt heute noch den Laden dicht, aber verdammt, ich werde kämpfen. So weit, so gut, alles lief glatt, ich bin dreimal hin und her gefahren und hatte mittags gut hundert Kuai beisammen, wovon ich zuerst einen Teil der Miete bezahlt habe. Und dann haben Mutter und Sohn zusammen an der Straße ein paar Nudeln gegessen.
LIAO YIWU:
Ein Glück, dass Sie so ein robuster Kerl sind.
LIU YI:
Ich habe ein paar Tage den Gemüseverkäufer gemacht, dann habe ich Arbeit gefunden, ich habe in einem Unternehmen einen ganztägigen Wachdienst übernommen. Das hieß auch, wo die anderen acht Stunden arbeiteten, hatte ich vierundzwanzig.
LIAO YIWU:
Haben Sie das ausgehalten?
LIU YI:
Wenn man keine Wahl hat. Die anderen haben achthundert bekommen, ich hatte dreizehnhundert. Der Starke frisst den Schwachen, der Tüchtigste überlebt, mit mir konnten sie zweieinhalb Leute ersetzen, das lohnte sich. Deshalb habe ich nach einem Monat ein Handy bekommen; nach gut drei Monaten hatte ich einen Motorroller, das war mir eine Genugtuung.
LIAO YIWU:
Nach so vielen vertanen Jahren waren Sie am Ende in der heutigen Gesellschaft angekommen.
LIU YI:
Es dauerte drei Monate, dann habe ich den Wachdienst gekündigt und mich auf den Obsthandel verlegt. Das
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