Die Kultur der Reparatur (German Edition)
oder sicherheitsrelevanten Orten zum Einsatz kommen, die sehr wohl eine drastisch verlängerte Lebensdauer von mehreren Tausend Stunden haben.
Die älteste durchgehend im Einsatz befindliche Glühlampe brennt bei der Feuerwache in der kalifornischen Stadt Livermore schon seit mehr als hundert Jahren, genauer gesagt seit 1901, beinahe kontinuierlich – nur für einen Umzug 1976 inein neues Gebäude für die Feuerwehr wurde sie einmal kurz ausgeschaltet. Die Livermore-Birne brennt mit sehr geringer Lichtleistung, sodass die Glühwendel, die aus Wolfram bestehen – ein Material, das hohe Temperaturen aushält –, nicht so schnell abdampfen und letztlich durchbrennen können. Betreibt man die Glühbirne mit geringerer Stromstärke, sowird sie weniger heiß, und sie lebt länger, die Lichtausbeute ist im Vergleich zur Wärmeabgabe dann natürlich geringer, was mit einer Verschiebung des Farbspektrums von weißem Licht in Richtung rotes, wärmeres Licht einhergeht.
Der Physiker und Journalist Andreas Hirstein bezeichnete in der Neuen Zürcher Zeitung vom Januar 2013 die geplante Obsoleszenz, die von einem von den Grünen in Auftrag gegebenen Bericht bis zu einer kürzlich gesendeten Ausgabe von RangaYogeshwars Wissenssendung Quarks & Co. in aller Munde ist, als modernes Märchen der Konsumkritik. Er schreibt: „Würde man eine 100-Watt-Birne so betreiben, dass sie so viel Licht spendet wie eine 60-Watt-Birne, würde sie zwar 10 000 Stunden überleben, dabei aber 78 Watt Strom verbrauchen – ein ökologisches Fiasko und finanziell ein Verlustgeschäft für den Kunden.“
Für den Kunden stimmt dies, doch man muss die Angelegenheit auch volkswirtschaftlich betrachten, also alle sonstigen Kosten mit einbeziehen. Eine kurze Abschätzung hierzu: Will ich wie im obigen Beispiel mit einer 100-Watt-Birne die gleiche Helligkeit erzielen wie mit einer 60-Watt-Birne, bräuchte ich für 10 000 Stunden Betriebsleistung statt zehn Birnen mit jeweils herkömmlicher tausendstündiger Betriebsleistung nur eine Birne. Das heißt: Bei einem Preis von 2 Euro pro Birne zahle ich statt 2 Euro für eine 100-Watt-Birne 20 Euro für zehn 60-Watt-Birnen bei gleicher Helligkeit und 10 000 Betriebsstunden. Nun zu den Stromkosten: Beim Niederwattbetrieb mit 78 Watt und 10 000 Stunden zahle ich Stromkosten von 195 Euro (bei 25 Cent pro Kilowattstunde), also 45 Euro mehr, als der 60-Watt-Betrieb von zehn Birnen für jeweils 1000 Stunden kosten würde. Dies ist natürlich gegenüber der Einsparung von 18 Euro im Kaufpreis kein gutes Geschäft. Es verbleibt aber die Frage, wie viel volkswirtschaftliche und Umweltkosten die Herstellung von zehnmal so vielen Glühbirnen verursacht. Das ist schwierig zu rechnen, weil es natürlich darauf ankommt, wie ich zum Beispiel die Rohstoffe preislich ansetze, wie das Wasser, die Energie zur Herstellung, die anteiligen Kosten für Transport, Lagerung, für Vertrieb und Marketing, für den CO 2 -Ausstoß bei der Herstellung und bei der Entsorgung, beim Recycling, für Bau und Einrichtung von Mülldeponien usw. Wären diese Kosten im gewählten Beispiel für die neun zusätzlichen Birnen größer als 27 Euro (also 3 Euro pro Birne), so wäre der Niederwattbetrieb von einer 100-Watt-Birne doch sinnvoller, abgesehen davon, dass ich nicht Glühbirnenwechselvorgänge auszuführen habe. Eine Alternative wäre es noch, bei der Herstellung der Birne gleich eine dickere Glühwendel vorzusehen. Natürlich bedingte das einen etwas höheren Materialeinsatz, hätte aber auch eine viel längere Lebensdauer im Normalbetrieb zur Folge.
Was aus diesen Rechenbeispielen deutlich werden soll: Von Zufall kann bei der Lebensdauer von Glühbirnen nicht gesprochen werden, sie ist ein gewolltes Resultat einer Industriepolitik, bei eingeschränkter Betrachtung der Gesamtkosten, deren Berechnung weitaus komplexer, vielleicht sogar unmöglich ist. Und wie sieht es bei anderen Produkten aus?
Grundsätzlich ist es gang und gäbe, dass in Geräten Bauteile eingesetzt werden, die nach einer gewissen Zeit nicht mehr funktionieren – obwohl man auch langlebigere Teile hätte verwenden können. Jedes vom Menschen hergestellte Gerät und jedes Bauteil hat eine gewisse Lebensdauer, das ist nichts Neues. Sie kann von Millionen von Jahren wie bei einem Steinwerkzeug aus der Vorzeit des Homo sapiens über Tausende von Jahren wie im Fall von in Stein gemeißelten Hieroglyphenschriften und hundert Jahre bei Kurz-, Mittel- und
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