Die Kultur der Reparatur (German Edition)
nun meinte, ein solcher eher minimal erscheinender Defekt ließe sich doch sicher schnell und unkompliziert beheben, wurde laut Bericht eines Besseren belehrt. Genau konnte der Hersteller den Defekt auch nicht erklären, aber wer auch immer dem Problem auf den Grund gehen wollte, bekam nur eines zu hören: Die Reparatur lohne sich nicht,es sei sinnvoller, sich einen neuen Drucker zu kaufen. Und überhaupt, das neue Modell sei auch günstiger als das vorherige. Na, wenn das kein Verkaufsargument ist. Und außerdem: Hatte der Drucker nicht schon gefühlte Tausende Seiten gedruckt?
Von ähnlichen Problemen wurde auch bei Kameras berichtet, bei denen nach einer bestimmten Anzahl von fotografierten Bildern der Auslöser streikte. Der Austausch in entsprechenden Internetforen ergab, dass das kein Einzelfall war. Trotzdem, genaue und objektive Aufklärung fehlt in fast allen Fällen.
Unreparierbar: Design
Allerdings gilt, und da wären wir beim Thema Langlebigkeit beim nächsten Punkt: Immer häufiger werden Gerät und Akkuso miteinander „verschmolzen“, dass eine Reparatur unmöglich wird. Ist der Akku eines Mobiltelefons oder einer elektrischen Zahnbürste kaputt, kann man im Grunde gleich das ganze Handy beziehungsweise die komplette Zahnbürste in den Müll werfen.
Als unsere Tochter meinte, ihre elektrische Zahnbürste würde nicht mehr aufladen, sah ich sie mir genauer an. Die Bürste hatte am unteren Deckel eine Schraube, wunderbar, dachte ich, da brauche ich das Gerät einfach nur aufzuschrauben, um an den Akku zu gelangen. Nachdem ich mit dem Schrauben fertig war, stellte ich fest, dass ich dennoch nicht an den 1,5-Volt-Akku herankam. Ich konnte es kaum glauben, doch ich hätte die Zahnbürste mit einer elektrischen Säge zersägen müssen, um den Akku auszutauschen. Ich machte noch ein Foto, um das Problem zu dokumentieren. Anschließend rief ich bei der Hotline der Zahnbürstenfirma an. Man teilte mir mit, es sei vergebliche Mühe, den Akku der Zahnbürste wechseln zu wollen. Falls die Zahnbürste ungeöffnet sei, könne man sie innerhalb von drei Jahren umtauschen. Dabei würde man aber auch nicht den Akku erneuern, sondern die ganze Zahnbürste zum Elektroschrott geben und eine neue verschicken.
Ich war empört: Warum beschweren sich eigentlich so wenige Verbraucher, ich bin doch sicherlich nicht der einzige Konsument, der diese Erfahrung macht? Vor meinem geistigen Auge lief eine Demonstration ab, auf der Tausende wild mit ihren Zahnbürsten herumfuchtelnd durch die Innenstädte zogen. In Wirklichkeit haben wir uns alle schon viel zu sehr daran gewöhnt, dass die Lebenszyklen von Produkten kurz sind. Wenn wir ein Handy länger als zwei Jahre mit unsherumschleppen (oder länger als der abgeschlossene Vertrag), denken wir, es wäre an der Zeit, dass mal etwas Neues herkommt. Konsum macht Spaß. Neues wird von uns mit Freude assoziiert, ein neues Mobiltelefon kann doch gar nichts Schlechtes sein.
Auf ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Zahnbürste trifft man bei Staubsaugern, an deren Inneres man nicht herankommt, oder bei Autoscheinwerfern, bei denen man keine Glühbirnen mehr selbst auswechseln kann. Alles ist zugeschweißt, was zu einerendlosen Verschwendung führt. Ein Bekannter schrieb mir kürzlich: „Natürlich war ich auch ein großer Bastler vor dem Herrn ... Zu Hause war der Lötkolben quasi immer an ... Leider funktioniert das heutzutage nicht mehr, denn die ‚Surface-Mounted’-Chips und andere Bauteile würden da nur so dahinschmelzen ... Ein alter schwarz-weißer Siemens-Fernseher damals in den Sechzigern hatte nach Ablauf der Garantiezeit alle rund sechs Monate einen anderen Ausfall. Nach zehn Jahren war fast nichts mehr Originales drin, außer der Bildröhre und dem Kanalschalter-Tastenfeld – aber ich hatte alles reparieren können.Man hatte ja auch genügend Fachgeschäfte für Bauteile.“
The times, they are a‘changing – nicht zuletzt dank der Marktmacht von Apple mit seinen durchdesignten Produkten, bei denen man schon gar nicht mehr auf den Gedanken kommt, sie zu reparieren.
Es gibt Neuerungen, die sinnvoll sind, andere sind es eher nicht. Doch letztlich ist es keine allgemeingültig zu beantwortende Frage. Der eine sagt: „Ich brauche das“, ein anderer winkt müde ab. Es ist klar, dass nicht jeder eine Digitalkamera als das Nonplusultra ansieht. Aber ich bin auch nicht derjenige, der zurück zur Steinzeit will. Ich bin dafür, dass man sich mit mehr Respekt, mit mehr
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