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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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Volksschulklasse lernen sollte, mit einem Holzbearbeitungsmesser umzugehen, einem Stechbeitel. Ich sollte etwas n ein Holzstück gravieren – und fuhr mir dabei mit der scharfen Spitze aus Versehen in die Hand. Es blutete, doch ich biss die Zähne zusammen und verbarg die Verletzung unter einem Taschentuch. Es war mir so peinlich, dass gerade mir beim Umgang mit Werkzeug so etwas Dummes passiert war. Werkunterricht hatten aber nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen, so wie ich als Bub auch Häkeln und Stricken lernte.
    Der Computer ist dagegen Ausdruck einer Wissenswelt, einer Wissensarbeit. Zwar mache ich etwas Manuelles, wenn ich Tasten drücke oder mit der Maus klicke, aber damit hat es sich dann auch schon. Alles andere spielt sich im Virtuellen ab. Die weitere Welt der materiellen Dinge wird davon nicht berührt. Kein Wunder, wenn Menschen sich nach einer Woche Büroarbeit am PC am Wochenende unters Auto legen, Motorräder zerlegen oder das Bad neu fliesen. Ihnen fehlt als Ausgleich das mechanische Denken.
    Wie funktioniert eigentlich eine Niete, was sind die Phasen in einem Vierzylinder? Wenn wir etwas reproduzieren, selber machen können, jenseits der theoretischen Beschreibung; wenn wir es anderen erklären können, angepasst an den Kenntnisstand des Fragenden, erst dann haben wir es wirklich verstanden. Dabei gilt, frei nach Albert Einstein: Man soll alles so einfach wie möglich erklären, aber nicht einfacher.
    Die Verschränktheit von Theorie und Experiment, von Hypothese und praktischer Tätigkeit ist dabei das wirkliche Erfolgsmodell für die Erlangung von Naturerkenntnis. Geistes- und Handarbeit müssen als zwei Seiteneiner Medaille begriffen werden.
    Dazu kommt: Wenn laut einer amerikanischen Studie schon Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren durchschnittlich zweiunddreißig Stunden pro Woche vor Bildschirmen verbringen, also vor dem Fernseher oder dem Computer, und keine Zeit mehr haben, sich mit Basteln, Bauen, Werken, Herstellen und Reparieren zu beschäftigen, den originären menschlichen Tätigkeiten, dann ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten.
    Kinder müssen sich mit den modernen Medien beschäftigen, sonst lernen sie keinen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen. Und das Internet ist klasse, wenn es um Vernetzungsmöglichkeiten verschiedenster Art geht. Dabei muss es noch nicht einmal Revolutionen vorantreiben helfen. Was für ein handwerkliches Problem man auch immer hat, in irgendeinem Forum schlummern Antworten, Hilfestellungen (die Suche etwa nach medizinischen Antworten im Netz ist hingegen keine so gute Idee, weil es zur Filterung solch brisanter Informationen einen Filter, den Arzt, braucht). Mir geht es darum, gerade bei Kindern eine grundsätzliche Balance zwischen Computer- und Handarbeit herzustellen. Vierundzwanzig Stunden am Tag vor dem PC zu sitzen ist genauso verkehrt wie null Stunden. Ähnliches trifft auch auf das Werken zu. Menschliche Entwicklung wird durch Vielseitigkeit befördert.
    Anders als im Internet, wo alles unmittelbar verfügbar ist, ohne dass großer Suchaufwand betrieben werden müsste, lernt man durch die Kultur der Reparatur – die auf eine Kultur des Selbstbaus auszuweiten ist, des Selber-Herstellens – Hingabe und Sorgfalt bei Details. Das sind, wenn man so will, smarte Fähigkeiten. Hingabe entsteht, wenn man sich intensiv mit einer Sache beschäftigt, sie durchdringt, verstanden hat, warum etwas so und nicht anders funktioniert. Es ist ein fundamentales und hochemotionales Erfolgserlebnis, wenn man einer Mechanik auf den Grund kommt. Nicht vergleichbar mit dem Drücken des „Gefällt mir“-Buttons auf Facebook.

Bauklötze statt Bildschirme
    Da die Natur die Reparatur erfunden hat und wir ohne sie nicht leben würden, haben wir uns durch die Vernachlässigung der Reparatur von unseren natürlichen Ursprüngen wegbewegt. Oder anders gesagt: Wir Menschen haben mit der industriellen Fertigung und der damit eingetretenen Verschwendung von Ressourcen das Pendel ein bisschen zu sehr in eine Richtung ausschlagen lassen. Handarbeit und geistige Arbeit sollten wieder viel mehr als Einheit verstanden werden, beides gehört zusammen. Nicht nur weil Handarbeit analytisches Denken erfordert, sondern weil Geistesarbeit auf der Erfahrungsbasis des Umgangs mit der Materie aufbaut. Mechanische Modellespielen beispielsweise eine überragende Rolle bei der Entwicklung von physikalischen Theorien. Allein das Wort Quantenmechanik sagt alles darüber, dass man das

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