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Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Die Kultur der Reparatur (German Edition)

Titel: Die Kultur der Reparatur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang M. Heckl
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zu erreichen, was Pädagogen „Problemlösungskompetenz“ nennen. Und die lässt sich an einfachen Apparaten oder Modellen besser erwerben als an komplizierten, jedenfalls als Anfänger auf dem Gebiet von Naturwissenschaft und Technik. Wenn Kinder nicht mit Baukästen aufwachsen und damit nicht in Berührung kommen, ergreifen sie seltener einen handwerklichen Beruf, werden zum Beispiel weniger häufig Schreiner oder Heizungsmonteur und Ingenieur. Insofern sind Bau- und Bastelkästen keine sentimentale Angelegenheit, sondern ein zukunftsweisendes Modell, besonders dann, wenn auf früherer Technik aufgebaut und diese in neuem Zusammenhang benutzt wird. Zwar setzen wir keine Dampfmaschinen mehr ein, um zum Beispiel von einem Ort zum anderen zu kommen, aber das dahinterstehende physikalische Prinzip, wie die Umwandlung von Wärmeenergie in Arbeit, ist bis heute grundlegend. Man meine also nicht, dass Technologien aus vergangenen Jahrhunderten keine Gültigkeit oder Verwendung mehr haben. Noch heute habe ich einen großen Spaß, moderne Bastelkästen mit Kindern auszuprobieren, sei es, um solarbetriebene kleine Maschinen zu bauen oder eine Brennstoffzelle als Antrieb für ein Modellauto.
    Sinnvoll ist es, die ganze technische Palette einschließlich der alten Technik zu betrachten. Sicher, ein moderner Motor hat einen höheren Wirkungsgrad als ein alter – aber um weitere Verbesserungen zu erzielen, auch im Hinblick auf umweltfreundlichere Technik, ist es entscheidend, die Funktionsweise eines Motors in seiner einfachsten Form zu kennen. Welcher moderne Mensch kann denn verstehen oder erklären, wie das erste Automobil der Erde, der Benz-Motorwagen von 1886 eigentlich funktioniert, wie Autos fahren? Manchmal frage ich Besucher, die sich dieses wertvolle Exponat bei uns im Verkehrszentrum des Deutschen Museums anschauen. Da gibt es natürlich Spezialisten, die mir sagen, wie das eine oder andere historische Detail aussieht, aber erschreckend viele Menschen haben überhaupt keinWissen über diese für unser Alltagsleben so entscheidende Technologie. Klar, man tankt an einer Tankstelle Diesel oder Benzin, anschließend schaltet man irgendwie den Motor ein, und das Fahrzeug bewegt sich von der Stelle. Ein derart begrenztes Wissen, eigentlich ein Nicht-Wissen, reicht aber nicht aus, meine ich, um Lösungen für die Mobilität der Zukunft auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens aufzubauen, geschweige denn, um Motoren effizienter zu konstruieren.
    Baukästen ließen mich all das wesentlich besser verstehen. Aber weil es bei uns zu Hause Platz gab und mein Vater selbst gern herumtüftelte, war ich ein richtiger Werkstattjunge. Was sich darin zeigte, dass ich, wo immer ich auf der Straße kaputte Geräte fand, sie mit nach Hause schleppte, um sie zu reparieren oder zumindest auszuschlachten, weil ich ja die Teile vielleicht eines Tages für irgendeine Reparatur brauchen konnte. Sperrmüll in Form von elektrischen Geräten auf der Straße liegenzulassen, war für mich als Kind nahezu unmöglich. Wenn unsere kleine Tochter später auf Spaziergängen einen alten Nagel aufsammelte und meine Frau sie fragend ansah, wusste Marlene zu antworten: „Der Papa kann den vielleicht noch mal für eine Reparatur brauchen.“ Vielleicht funktioniert ja hier die Weitergabe von genetischen Anlagen, mich würde es jedenfalls freuen.
    Mein Urgroßvater, das nur nebenbei, war Nagelschmied. Ich besitze noch ein Foto von ihm, auf dem er vor seiner Schmiede steht, zusammen mit seiner gesamten Familie. Ich habe noch einige seiner handgeschmiedeten Nägel, gewissermaßen kleine Kunstwerke. Und wer damals einen solchen Nagel benutzte, überlegte sich genau, wie dieser effizient einzusetzen war und ob nicht einer ausreichte oder man wirklich zwei brauchte, wenn man z. B. eine bestimmte Verbindung zweier Holzstücke herstellen wollte. Natürlich kann man auf diese Art und Weise keine Wolkenkratzer bauen, das ist klar, auf der anderen Seite war der sparsame Umgang mit Ressourcen eine absolute Notwendigkeit, die jeder, der damals lebte, verinnerlicht hatte.
    Kinder lernen mit Bauklötzen oder Legosteinen, wie man etwas baut. Sie möchten zum Beispiel einen Torbogen errichten und probieren so lange herum, setzen immer wieder die Steine neu aufeinander, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Hinter diesen Spielen steckt die Idee der Selbstbeteiligung, nur so werden Erfahrungen gemacht. Selbstbeteiligung undLernen hängen eng miteinander zusammen. Wer nichts

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