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Die Kunst, anders zu leben

Die Kunst, anders zu leben

Titel: Die Kunst, anders zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Guillebeau
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Kurse, die ich einfach nur absaß, ohne mich wirklich dafür zu interessieren, gab es lediglich befriedigende bis ausreichende Noten. Ich arbeitete damals schon nach dem gleichen typischen Muster, das mich bis zum heutigen Tag begleitet: In den Fächern, die mir Freude machten, strengte ich mich mehr an als alle meine Kommilitonen – auf den anderen Gebieten waren meine Ergebnisse alles andere als erfreulich.
    Eine weitere Besonderheit meiner College-Erfahrung bestand darin, dass ich rasch merkte, wie leicht es war, gute Noten zu bekommen (zumindest in den Fächern, die mir wichtig waren), ohne dass ich mir große Mühe dafür zu geben brauchte. Ich studierte das Vorlesungsverzeichnis genau und belegte in jedem Quartal so viele Kurse, wie es erlaubt war. Im ersten Quartal, in dem ich das handhabte, musste ich gleichzeitig auch noch einen Kurs an meinem alten Community College absolvieren. Das brachte mich auf eine Idee: An der Universität, an der ich eingeschrieben war, konnte ich mich nicht zu noch mehr Kursen anmelden, weil ich die Obergrenze bereits erreicht hatte. Es war aber nicht verboten, an mehreren Institutionen gleichzeitig zu studieren.
    Von da an begann ich in hektischer Aktivität von Quartal zu Quartal immer mehr Kurse zu belegen – an meiner Universität, an meinem früheren Community College, an einem zweiten berufsvorbereitenden College und als Fernstudent an einer weiteren Universität, die ein paar Stunden von meinem Wohnort entfernt lag. In einem Semester belegte ich Kurse in Höhe von 40 Wochenstunden, und so hatte ich nach meinem zweiten Studienjahr bereits zwei Bachelor-Abschlüsse in der Tasche, während die Freunde, die ich während meines kurzen Gastspiels an der Highschool kennengelernt hatte, gerade erst zu studieren anfingen.
    Ein College ist so etwas Ähnliches wie ein Altersheim – nur mit dem Unterschied, dass am College mehr Leute sterben.
    BOB DYLAN
    Ich bereue meine Studienzeit nicht, gebe mich aber auch nicht der Illusion hin, in all diesen Kursen irgendetwas Konkretes gelernt zu haben. Stattdessen erfuhr ich, wie man sich durchs Examen mogelt, wie man Daten und Fakten möglichst schnell auswendig lernt (und anschließend so schnell wie möglich wieder vergisst) und wie man einen guten Eindruck macht. Das sind zweifellos wichtige Fähigkeiten, nicht nur an der Universität, sondern auch im sonstigen Leben, aber sie können einen auch daran hindern, irgendetwas von bleibendem Wert zu schaffen.
    Ein paar Jahre nach meinem Studium, als meine Zeit in Westafrika sich dem Ende zuneigte, fragte ich mich, ob ich nicht vielleicht doch etwas versäumt hatte. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter meiner Hilfsorganisation hatte ich eine Führungsposition im Bereich der internationalen Entwicklungshilfe innegehabt, aber diese Stellung war mir zugefallen, ohne dass sich jemand groß nach meiner Ausbildung erkundigt hatte. Da ich im darauffolgenden Jahr in die USA zurückkehren wollte, bewarb ich mich um einen Studienplatz in einem Master-of-Arts-Programm im Bereich Internationale Studien an der University of Washington. In meinem Bewerbungsessay erwähnte ich, dass es in Liberia keinen Ort gebe, an dem ich die erforderliche Aufnahmeprüfung ablegen könne. »Wir sorgen hier zunächst einmal für die Abrüstung; als Nächstes bemühen wir uns, die Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, und dann kommt die Stromversorgung dran. Wenn wir das alles erledigt haben, werden wir uns Gedanken über standardisierte Tests machen«, schrieb ich. Ich erwähnte auch, dass die University of Washington die einzige Universität war, bei der ich mich bewarb. Die meisten Leute, die auf der Suche nach einem Studienplatz sind, schicken mehrere Bewerbungen ab; daher sagte ich mir, dass es mir vielleicht einen Vorteil verschaffen würde, wenn ich klarstellte, dass es mir mit meiner Bewerbung ernst war und ich auch wirklich kommen würde, falls ich eine Zusage erhielt.
    Empfinden Sie das als riskantes Vabanquespiel? Vielleicht war es das tatsächlich – aber ich betrachtete es als kalkuliertes Risiko. Denn ich wusste: Wenn ich die Aufnahmeprüfung ablegen musste, würde ich im Vergleich zu anderen Studenten mit konventionellerer Ausbildung schlecht abschneiden. Ich hatte vor fünf Jahren mein Grundstudium absolviert, und von Mathematik hatte ich so gut wie gar keine Ahnung. Nicht vorhandene Prüfungsergebnisse, begleitet von einer interessanten Geschichte, sind immer noch besser als mittelmäßige

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