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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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uns Europäer und Ex-Kolonisatoren wichtig und auch bereichernd ist, solches zur Kenntnis zu nehmen.
    Ein fünfter Abschnitt thematisiert die Suchtgewohnheiten und Süchte des heutigen Menschen mit ihren entsprechenden Nöten. Sehr viele Menschen leben heute exzessiv, was Konsum, was Distanzen, was Geschwindigkeit bzw. Stress anbetrifft.
    Ein sechstes Thema des Beendens betrifft das Älterwerden, das Sterben und den Tod – eine ganz besondere und unausweichliche Art, etwas beenden zu müssen.
    Das siebte Thema betrifft unsere moderne Gesellschaft und die zunehmende Kontrolle des Lebens.
    Die Auswahl der Themen ist nicht erschöpfend. Das entspricht dem Lebendigen und Unvorhersehbaren des Lebens. Und immer wieder wird die Fähigkeit des Menschen zum Beenden geprüft.
Wenn ein Beenden unerwartet notwendig wird
    Schicksalsschläge können ein Beenden erzwingen. Schicksalsschläge, das darf man wohl behaupten, entstehen »out of the blue«, sie treffen einen Menschen nie aus heiterem Himmel und können aber auch durchaus ein Moment der eigenen Mitbeteiligung einschließen: ein Autounfall durch Fremdgefährdung bzw. beim Fahren in ermüdetem Zustand, ein Unfall oder eine Krankheit, deren Ursache nicht bekannt ist bzw. zu denen es vielleicht durch eine Überdosis einer gefährlichen Substanz kam, eine Schwangerschaft mit oder ohne vorangehende Verhütung.
    Ein Unfall oder eine Krankheit zwingen zur Einsicht und erfordern eine Veränderung des Lebens. Unter Umständen muss vieles verabschiedet werden, bei sich selbst oder bei nahen Mitmenschen. Ein Partner geht weg oder stirbt, ein Kind oder eine gute Freundin stirbt, und der Verlust erzwingt im Durchleben der Trauerphasen ein innerliches und äußerliches Beenden der gelebten Gemeinsamkeit. Trauer ist angesagt, damit ein Schicksalsschlag in das veränderte Leben integriert werden kann. Wenn das nicht gelingt, wird ein Mensch krank.
    Auch ein erzwungenes, nicht gewähltes Beenden kann schließlich positiv integriert werden. Nicht auf Anhieb, aber im Durchleben und Trauern und möglichen Aufatmen danach.
Schwangerschaftsabbruch
    Es gibt Situationen im Leben, in denen eine wichtige Entscheidung getroffen werden muss. Sie kann traurig stimmen und trotzdem richtig sein. Die Entscheidung zu einem Abbruch einer Schwangerschaft kann eine solche Situation sein. Sie wird fällig, weil die Lebensumstände für ein Aufwachsen eines Kindes nicht gegeben sind bzw. nicht geschaffen werden können. Oder weil sich eine Frau bzw. ein Paar nicht für eine Partnerschaft oder ein Leben mit Kind bereit oder fähig fühlen. Es gibt mannigfaltige Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch.
    Heute ist es in unserer Gesellschaft möglich, eine Schwangerschaft frühzeitig zu beenden. Das ist noch nicht lange so. Lange genug mussten Frauen illegale Eingriffe in Kauf nehmen und entsprechende Risiken eingehen.
    Judith erzählt: »Ich habe mir im Voraus nie Gedanken darüber gemacht, dass ich in eine solche Situation kommen könnte. Ich war Ende zwanzig, als mein Freund und ich uns eingestanden, dass wir gerne Kinder hätten. Ausgerechnet in dieser Zeit verliebte ich mich heftig in einen Arbeitskollegen. Es war nie die Rede davon, dass ich mich von meinem Freund trennen wollte. Als ich schwanger wurde, war mir schlagartig bewusst, dass ich nicht sicher war, von welchem Mann dieses Kind war. Es war eine schreckliche Situation, und ich hatte sie selbst zu verantworten.
    Ich wusste, dass ich mit meinem Freund ein Kind haben wollte. Ich musste ihn in meine Ungewissheit einweihen. Für ihn war völlig klar, dass er sich keinesfalls vorstellen konnte, auf diese Art ein gemeinsames Kind mit mir zu haben – ich selbst nach reiflichem Überlegen auch nicht. Ich entschied mich schweren Herzens für eine Abtreibung. Es war schlimm für mich, durch einen Psychiater ein Gutachten erstellen zu lassen. Ich fühlte mich gedemütigt und kritisiert. Er schüttelte mehrmals den Kopf bei meiner Erzählung. Im Nachhinein öffnete ich den Briefumschlag und las sein Gutachten. Ich musste seineBelehrungen annehmen, das war völlig klar. Nach dem Abbruch in der privaten Praxis meines Gynäkologen fühlte ich mich traurig und befreit zugleich. Eine Freundin kam mich danach abholen und brachte mich ein paar Tage bei sich unter.
    Es dauerte mehr als zwei Jahre, bis mein Freund und Mann für meinen Wunsch nach einem gemeinsamen Kind bereit war. Wir haben heute drei Kinder, die wir uns intensiv gewünscht haben. Mit vierzig Jahren

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