Die Kunst des Pirschens
Erden verwandelt.
Verzweifelt und unter echten Qualen wollte sie lieber sterben als so weiterzuleben. Ihr Leiden war so erbärmlich, daß eines Tages ein Dienstmädchen, das es nicht länger mit ansehen konnte, ihr eingestand, daß sie von der früheren Geliebten Celestinos beauftragt worden sei, eine gewisse Tinktur in ihr Essen zu mischen; ein Gift, das von Zauberern hergestellt worden sei.
Als Wiedergutmachung versprach das Dienstmädchen, sie zu einer Heilerin zu bringen, einer Frau, die angeblich die einzige war, die etwas gegen dieses Gift vermochte.
Florinda kicherte beim Gedanken an ihren damaligen Zwiespalt. Sie war als fromme Katholikin erzogen. Sie glaubte nicht an Hexerei oder indianische Zauberheiler. Aber ihr Leiden war so schlimm und ihr Zustand so bedenklich, daß sie bereit war, alles zu versuchen. Celestino war entschieden dagegen. Er wollte das Dienstmädchen der Polizei übergeben. Florinda legte ein Wort für sie ein, weniger aus Mitleid als aus Angst, sie könnte allein die Heilerin nicht finden.
Plötzlich stand Florinda auf. Sie sagte mir, ich müsse gehen. Sie nahm meinen Arm und führte mich zur Tür, als wäre ich ihr ältester und bester Freund. Sie erklärte mir, ich sei erschöpft, denn in der linksseitigen Bewußtheit zu sein, das sei ein besonderer und vergänglicher Zustand, von dem man nur sparsam Gebrauch machen dürfe. Ganz gewiß sei es kein Zustand der Kraft.
Der Beweis dafür war, daß ich einmal beinah gestorben wäre, als Silvio Manuel versuchte, meine zweite Aufmerksamkeit zu sammeln, indem er mich zwang, mich kühn in sie hineinzustürzen. Sie sagte, es sei ganz ausgeschlossen, daß wir einem anderen oder uns selbst befehlen könnten, Wissen zu sammeln. Vielmehr sei es eine langwierige Sache; denn zur rechten Zeit und unter den richtigen Bedingungen der Makellosigkeit sammle der Körper sein Wissen ohne die Mitwirkung des Willens.
Wir blieben eine Weile vor der Haustür stehen und tauschten Freundlichkeiten und Belanglosigkeiten aus. Plötzlich sagte sie, der Nagual Juan Matus habe mich an jenem Tag zu ihr gebracht, weil er wisse, daß seine Zeit auf Erden bald abgelaufen sei. Die beiden Arten der Unterweisung, die ich nach Silvio Manuels klugem Plan erhalten hatte, seien schon abgeschlossen. Offen sei lediglich noch das, was sie mir zu sagen habe. Sie betonte, daß es sich bei ihr nicht um einen eigentlichen Unterricht handle, sondern darum, eine Verbindung zwischen mir und ihr herzustellen.
Als Don Juan mich das nächste Mal zu Florinda brachte, kurz bevor er mich vor ihrer Tür verließ, wiederholte er, was sie mir schon gesagt hatte, nämlich daß es für ihn und seinen Trupp an der Zeit sei, in die dritte Aufmerksamkeit einzugehen. Bevor ich ihm Fragen stellen konnte, schob er mich ins Haus. Der Stoß, den er mir versetzte, beförderte mich nicht nur ins Haus, sondern auch in meinen schärfsten
Bewusstheitszustand. Ich sah die Nebelwand.
Florinda stand auf dem Flur, als hätte sie darauf gewartet, daß Don Juan mich hineinstieß. Sie hielt meinen Arm und führte mich schweigend ins Wohnzimmer. Wir setzten uns. Ich wollte eine Unterhaltung beginnen, aber ich konnte nicht sprechen. Sie erklärte mir, daß der Stoß eines makellosen Kriegers, wie der Nagual Juan Matus einer war, ein Überwechseln in einen anderen Bereich der Bewußtheit auslösen könne. Mein Fehler sei gewesen, so sagte sie, daß ich die ganze Zeit die Verfahrensweisen für so entscheidend gehalten hatte. Das Verfahren, einen Krieger in einen anderen Bewußtseinszustand zu stoßen, läßt sich nur anwenden, wenn die beiden Beteiligten, besonders derjenige, der den Stoß gibt, makellos und von persönlicher Kraft durchdrungen sind.
Die Tatsache, daß ich die Nebelwand gesehen hatte, machte mich körperlich ganz nervös. Mein Körper zitterte unkontrollierbar. Florinda sagte, mein Körper zittere deshalb, weil er gelernt habe, nach Aktivität zu dürsten, wenn er in diesem Bewusstheitszustand sei. Ebenso gut könne mein Körper aber lernen, seine schärfste Bewußtheit auf das zu konzentrieren, was gesprochen würde, statt auf das, was getan würde.
Und dann sagte sie mir, daß es eine Sache der Zweckmäßigkeit sei, sich in die Bewußtheit der linken Seite zu versetzen. Indem der Nagual Juan Matus mich in einen Zustand gesteigerter Bewußtheit versetzte und mir nur in diesem Zustand die Interaktion mit seinen Kriegern erlaubte, sorgte er dafür, daß ich festen Grund unter den Füßen hatte.
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