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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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um zu gesunden.«

3. Quasi-Erinnerungen an das andere Selbst
    »Kannst du mir vielleicht sagen, was los ist?« fragte mich Nestor, als wir an diesem Abend alle beisammen saßen. »Was habt ihr zwei gestern gemacht?«
    Ich hatte la Gordas Empfehlung, daß wir nicht darüber sprechen sollten, was uns geschehen war, bereits vergessen. So fing ich an ihnen zu erzählen, daß wir zuerst in eine Stadt in der Nähe gefahren seien und dort ein ganz erstaunliches Haus gefunden hätten.
    Alle schienen von einem plötzlichen Zittern erfaßt. Sie reckten die Köpfe, sahen einander an und starrten dann auf la Gorda, als erwarteten sie von ihr, daß sie ihnen mehr erzähle.
    »Was für ein Haus war das?« fragte Nestor.
    Noch bevor ich Zeit fand, zu antworten, fiel la Gorda mir ins Wort. Sie begann gehetzt, beinahe zusammenhanglos zu reden. Mir wurde klar, daß sie improvisierte. Sie gebrauchte sogar Wörter und Wendungen aus der mazatekischen Sprache. Sie warf mir verstohlene Blicke zu, die eine stumme Bitte enthielten, nur ja nichts darüber verlauten zu lassen.
    »Wie steht es mit deinem Träumen, Nagual?« fragte sie mich erleichtert, wie jemand, der endlich einen Ausweg gefunden hat. »Wir möchten gern alles von dir wissen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, daß du es uns erzählst.«
    Sie beugte sich vor und flüsterte mir möglichst beiläufig ins Ohr, gerade wegen unserer Erlebnisse in Oaxaca müsse ich ihnen von meinem »Träumen« erzählen.
    »Warum ist das so wichtig für euch?« fragte ich laut.
    »Ich glaube, wir stehen unmittelbar vor einem Abschluß«, sagte la Gorda feierlich. »Alles, was du uns sagst, ist jetzt von wesentlicher Bedeutung.«
    Also berichtete ich ihnen von den Ereignissen, die ich für mein wahres »Träumen« hielt. Don Juan hatte mir gesagt, daß es keinen Zweck hätte, sich lange mit einzelnen Versuchen aufzuhalten. Erst wenn ich dreimal die gleiche Vision hätte, so meinte er als Faustregel, sollte ich ihr besondere Beachtung schenken; ansonsten wären die Versuche eines Novizen lediglich eine Stufe auf dem Weg zur zweiten Aufmerksamkeit.
    Einmal »träumte« ich, daß ich erwachte und aus dem Bett aufsprang, nur um zu sehen, daß ich noch immer schlafend im Bett lag. Ich beobachtete mich im Schlaf und hatte noch genügend Selbstkontrolle, um mich daran zu erinnern, daß ich »träumte«. Nun folgte ich den Anweisungen, die Don Juan mir gegeben hatte und die besagten, ich müsse unverhoffte Schocks und Überraschungen meiden und alles mit einem Körnchen Salz auffassen. Der „Träumer“, so hatte Don Juan gesagt, müsse sich auf ein leidenschaftsloses Experiment einlassen. Statt seinen schlafenden Körper zu untersuchen, gehe der »Träumer« einfach aus dem Zimmer. Und so fand ich mich plötzlich, ohne zu wissen wie, außerhalb meines Zimmers wieder. Ich hatte die absolut klare Empfindung, als wäre ich augenblicklich hinausversetzt worden. Anfangs, als ich vor meiner Tür stand, kamen der Flur und das Treppenhaus mir riesig vor. Wenn irgend etwas mich in dieser Nacht wirklich erschreckte, dann war es die Größe dieser Baudetails, die im wirklichen Leben ganz normal war; der Flur war etwa fünfzehn Meter, und die Treppe hatte sechzehn Stufen.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich die gewaltigen Entfernungen überwinden sollte, die ich wahrnahm. Ich schwankte, dann brachte irgend etwas mich dazu, mich in Bewegung zu setzen.
    Ich ging aber nicht. Ich spürte meine Schritte nicht. Auf einmal hielt ich mich am Geländer fest.
    Ich konnte meine Hände und Unterarme sehen, aber ich spürte sie nicht. Ich hielt mich fest mit einer Kraft, die aber nichts mit meiner Muskulatur zu tun hatte, wie sie mir gewohnt ist. Das gleiche geschah, als ich versuchte die Treppe hinabzugehen. Ich wußte nicht, wie ich gehen sollte. Ich konnte einfach keinen Schritt tun. Es war, als ob meine Beine zusammengeschweißt wären. Wenn ich mich vorbeugte, konnte ich meine Beine sehen, aber ich konnte sie weder vorwärts noch seitwärts bewegen, noch konnte ich sie gegen meinen Brustkorb anheben. Es schien mir, als wäre ich auf der obersten Stufe festgewachsen. Ich kam mir vor wie eines jener hohlen Stehaufmännchen, die sich in strammer Haltung in jede Richtung bis in die Horizontale neigen können, nur um von einem schweren, im kugelförmigen Sockel untergebrachten Gewicht wieder in die Vertikale gezogen zu werden.
    Mit äußerster Anstrengung versuchte ich zu gehen und hopste wie ein schwerer Ball von Stufe zu

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