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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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erregt. Sie stand auf und schritt vier- oder fünfmal im Zimmer auf und ab, bevor sie sich wieder neben mich setzte.
    Ein Abgrund des Schweigens tat sich in unserem Gespräch auf. Josefina murmelte irgend etwas Unverständliches. Auch sie wirkte sehr nervös. La Gorda versuchte sie zu beruhigen, sie zog sie in die Arme und tätschelte ihr den Rücken.
    »Josefina will dir etwas über Eligio sagen«, sagte la Gorda zu mir. Alle schauten zu Josefina hinüber, ohne ein Wort zu sagen; aber die Frage stand ihnen in den Augen.
    »Trotz der Tatsache, daß Eligio von der Erdoberfläche verschwunden ist«, fuhr la Gorda fort,
    »ist er noch immer einer von uns. Und Josefina spricht die ganze Zeit mit ihm.«
    Die anderen wurden auf einmal ganz aufmerksam. Sie blickten einander an, dann schauten sie zu mir her.
    »Sie treffen sich beim Träumen«, 'sagte la Gorda eindringlich.
    Josefina holte tief Luft, sie schien ein Ausbund an Nervosität zu sein. Ihr Körper zitterte krampfhaft. Pablito legte sich am Boden auf sie und fing an tief aus dem Zwerchfell zu atmen, das er einzog und vorstieß, wobei er sie zwang, im Gleichtakt mit ihm zu atmen.
    »Was macht er da?« fragte ich la Gorda.
    »Was macht er da! Siehst du's denn nicht?« erwiderte sie zornig.
    Ich flüsterte ihr zu, daß mir wohl klar sei, er wolle ihr helfen, sich zu entspannen, daß aber seine Methode mir neu sei. Sie sagte, Pablito gebe Josefina Energie, indem er seine Körpermitte, wo ein Mann einen Überschuß davon habe, auf Josefinas Schoß lege, wo die Frauen ihre Energie speicherten.
    Josefina setzte sich auf und lächelte mich an. Sie wirkte völlig entspannt.
    »Ich treffe mich immer mit Eligio«, sagte sie. »Er erwartet mich jeden Tag.«
    »Wie kommt es, daß du uns nie davon erzählt hast? « fragte Pablito in verdrießlichem Ton.
    »Mir hat sie es erzählt «, warf la Gorda ein, und dann erklärte sie in aller Ausführlichkeit, was es für uns alle bedeutete, daß Eligio noch da war. Sie selbst, so sagte sie, hätte auf ein Zeichen von mir gewartet, um Eligios Worte zu entschlüsseln.
    » Schleich nicht um den heißen Brei herum, Weib! « schrie Pablito. »Sag uns seine Worte!«
    »Sie sind nicht für dich bestimmt!« schrie la Gorda zurück. »Für wen sind sie denn?« fragte Pablito.
    »Sie sind für den Nagual!« schrie la Gorda und zeigte auf mich.
    La Gorda entschuldigte sich dafür, daß sie ihre Stimme erhoben hatte. Aber was Eligio gesagt hatte, so meinte sie, sei so komplex und geheimnisvoll, und sie könne nicht daraus schlau werden.
    »Ich hab ihm einfach zugehört. Das war alles, was ich tun konnte, ihm einfach zuhören«, fuhr sie fort.
    »Willst du damit sagen, daß auch du dich mit Eligio triffst?« fragte Pablito in einem Ton, in dem sich Zorn und Erwartung mischten.
    »Ja, das tu ich«, erwiderte la Gorda beinah flüsternd. »Ich konnte nicht darüber sprechen, weil ich auf ihn warten mußte.«
    Sie deutete auf mich, dann stieß sie mich mit beiden Händen an. Ich verlor einen Moment das Gleichgewicht und fiel auf die Seite.
    »Was soll das? Was machst du da mit ihm?« fragte Pablito mit ganz zorniger Stimme. »War das eine indianische Liebeserklärung?«
    Ich wandte mich nach la Gorda um. Sie machte mit den Lippen ein Zeichen und bedeutete mir zu schweigen.
    »Eligio sagt, daß du der Nagual bist, aber du bist es nicht für uns«, sagte Josefina zu mir.
    Es herrschte Totenstille im Raum. Ich wußte nicht, was ich mit Josefinas Worten anfangen sollte. Ich mußte warten, bis einer der anderen sprach.
    »Fühlst du dich nun erleichtert?« stichelte la Gorda gegen mich.
    Ich erklärte ihnen allen, daß ich so oder so nichts damit anzufangen wisse. Sie wirkten wie Kinder, wie erschrockene Kinder. La Gorda trug die Miene eines zutiefst verlegenen Zeremonienmeisters zur Schau.
    Nestor stand auf und wandte sich an la Gorda. Er sagte einen Satz auf Mazatekisch zu ihr. Es klang wie ein Befehl oder wie ein Tadel.
    »Sag uns alles, was du weißt, Gorda«, fuhr er dann auf Spanisch fort. »Du hast kein Recht, mit uns ein Spielchen zu treiben und etwas so Wichtiges für dich zu behalten.«
    La Gorda protestierte vehement. Sie erklärte, daß sie nur deshalb für sich behielt, was sie wußte, weil Eligio sie darum gebeten hatte. Josefina pflichtete ihr mit einem Kopfnicken bei.
    »Hat er das alles zu dir oder zu Josefina gesagt?« fragte Pablito.
    »Wir waren zusammen«, sagte la Gorda mit kaum vernehmlicher Flüsterstimme.
    »Du meinst also, du und

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