Die Kunst des Pirschens
manchen Orten, wenn die meisten Menschen schlafen, könne man einen Teil dieser Fixierung für eine kurze Zeitspanne abwenden. In diesen Zeiten schlummert die erste Aufmerksamkeit der Menschen um uns her.
Dies führte Don Juan dazu, uns die zweite Aufmerksamkeit zu schildern. Er erklärte, daß 'man sich anstrengen müsse, die Aufmerksamkeit, die man am Anfang des Träumens braucht, auf irgendeinem Bestandteil des Traumes verweilen zu lassen. Nur indem wir unsere Aufmerksamkeit festlegen, könnten wir einen gewöhnlichen Traum in Träumen verwandeln.
Ferner erklärte er, daß man beim Träumen die gleichen Mechanismen der Aufmerksamkeit anwenden müsse wie im täglichen Leben und daß unsere erste Aufmerksamkeit nur unter großem Zwang gelernt habe, sich auf die Bestandteile der Welt zu konzentrieren, um das amorphe und chaotische Reich der Wahrnehmungen in eine geordnete Weltsicht zu verwandeln.
Die zweite Aufmerksamkeit, so sagte Don Juan uns, erfülle auch die Funktion, die Chance anzulocken, herbeizuholen. Je mehr sie geübt werde, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Dies aber sei auch die Funktion der Aufmerksamkeit im allgemeinen - eine Funktion, die wir für so selbstverständlich halten, daß sie kaum noch bemerkt wird; denn wenn uns ein unvorhergesehenes Ereignis zustößt, sagen wir, es sei ein Zufall oder ein glückliches Zusammentreffen, aber wir sagen nicht, daß unsere Aufmerksamkeit das Ereignis angezogen habe.
Unser Gespräch über die zweite Aufmerksamkeit leitete über zu einem weiteren Schlüsselkonzept, dem Traumkörper. Um la Gorda zu diesem hinzuführen, gab Don Juan ihr die Aufgabe, sie solle ihre zweite Aufmerksamkeit, so fest sie nur konnte, auf die einzelnen Elemente des Gefühls, im Träumen zu fliegen, anheften.
»Wie lerntest du, im Träumen zu fliegen?« fragte ich sie. »Hat jemand es dich gelehrt?«
»Der Nagual Juan Matus lehrte es mich auf dieser Erde«, wiederholte sie. »Und im Träumen lehrte mich jemand, den ich nie sehen konnte. Es war nur eine Stimme, die mir sagte, was ich tun sollte. Der Nagual gab mir die Aufgabe, im Träumen fliegen zu lernen. Und die Stimme sagte mir, wie ich es machen sollte.
Dann brauchte ich Jahre, um selbst zu lernen, wie ich von meinem normalen Körper, nämlich dem, den du anfassen kannst, in meinen Traumkörper überwechseln konnte.« »Das mußt du mir erklären, Gorda«, sagte ich. »Du hast gelernt, deinen Traumkörper zu erreichen, als du träumtest, daß du außerhalb deines Körpers warst«, fuhr sie fort. »Aber soweit ich sehe, gab der Nagual dir keine bestimmte Aufgabe, also machtest du es, so gut du eben konntest. Ich dagegen erhielt die Aufgabe, meinen Traumkörper zu gebrauchen. Die Schwesterchen hatten die gleiche Aufgabe. In meinem Fall hatte ich einmal einen Traum, in dem ich flog wie ein Drachen. Ich erzählte dem Nagual davon, denn das Gefühl des Dahingleitens hatte mir gefallen. Er nahm die Sache sehr ernst und machte daraus eine Aufgabe für mich. Er sagte, sobald man gelernt hat, das Träumen zu tun, ist jeder Traum, an den man sich erinnern kann, nicht mehr ein Traum, sondern ein Träumen.
Dann begann ich, im Träumen das Fliegen zu suchen. Aber ich konnte den Ausgangspunkt nicht finden; je mehr ich versuchte, mein Träumen zu beeinflussen, desto schwieriger wurde es. Schließlich sagte der Nagual mir, ich solle aufhören, es zu suchen, sondern es von selbst kommen lassen. Nach und nach fing ich an, im Träumen zu fliegen. Und dann fing irgendeine Stimme an, mir zu sagen, was ich tun solle. Ich habe immer geglaubt, daß es die Stimme einer Frau war.
Nachdem ich perfekt Fliegen gelernt hatte, sagte der Nagual mir, ich müsse jede Bewegung des Fliegens, die ich im Träumen machte, auch im Wachen wiederholen. Du hattest die gleiche Chance, als der Säbelzahntiger dir zeigte, wie du atmen solltest. Aber du hast dich niemals im Träumen in einen Säbelzahntiger verwandelt, darum konntest du es niemals im Wachzustand richtig versuchen. Ich aber habe das Fliegen im Träumen gelernt. Indem ich meine Aufmerksamkeit auf meinen Traumkörper verlagerte, konnte ich im Wachzustand wie ein Drachen fliegen. Ich habe dir einmal mein Fliegen gezeigt, weil ich dich sehen lassen wollte, daß ich gelernt hatte, meinen Traumkörper zu benutzen, aber du wußtest nicht, worum es ging.«
Sie bezog sich auf eine Gelegenheit, als sie mich mit einem unbegreiflichen Kunststück erschreckte, bei dem sie
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