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Die Kunst engagierter Gelassenheit

Die Kunst engagierter Gelassenheit

Titel: Die Kunst engagierter Gelassenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Niederberger
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Leistung oder von Lernen. Ich kann üben, die Dinge paradox
zu betrachten oder von einer neuen, etwa von einer komischen Seite zu betrachten.« (Frau, 52 Jahre)
    »Gelassenheit ist sicher zu einem erheblichen Teil Charaktersache. Es gibt Menschen, bei denen ich das Gefühl habe, das Haus könnte einstürzen und sie würden noch ruhig ihr Bier trinken. Ich bin sicher, dass man das auch lernen kann – mit zunehmender Reife.« (Mann, 35 Jahre)

■ Welches ist für mich die Quelle meiner Gelassenheit?
■ Wie weit halte ich meine Gelassenheit eher für vererbt und angeboren, von Erziehung, Religion und sozialem Umfeld beeinflusst oder Frucht meines jahrelangen Trainings?
    Noli me tangere – nichts berühre mich!
    Strebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht,
nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit.
Friedrich Schiller (Dichter und Dramatiker, 1759 – 1805)

    Ihr steht so gelassen, so ohne Beteiligung da,
ihr sittlichen Menschen.
Der junge Werther (im gleichnamigen Werk von Goethe)
    Das Zitat des griechischen Philosophen Epikur im ersten Buchteil beginnt mit dem Satz: »Bei den meisten Menschen ist die Ruhe nichts als Erstarrung.« Das ist keine objektive Tatsachenbeschreibung, sondern eine provokative Behauptung. Und weil in allem ein Körnchen Wahrheit steckt und wir auch und vor allem aus Fehlern und Irrtümern lernen, gehen wir den fragwürdigen Formen von Ruhe und Gelassenheit an dieser Stelle auf den Grund.
    Falsche Gelassenheit begegnet uns vor allem dort, wo sie als Leidvermeidungsstrategie missbraucht und pervertiert wird. Gelassensein ist kein kraftloses Gleiten- und Treibenlassen der Dinge und der Seele. Wer immer und überall die Ruhe in Person bleibt, permanent über den Dingen steht und durch nichts und niemanden zu erschüttern ist, ist kein Guru der Gelassenheit und keine Meisterin des Loslassens, sondern unter dem Schein des Guten und Edlen ein Drüberflieger, Ignorant und Verdränger, der unfähig ist, sich einzulassen auf die Menschen, die Welt, das Leben und auf sich selbst. Falsche Gelassenheit taucht in den verschiedensten Bereichen des Lebens und der Welt auf. Einige Zeugnisse mögen hier genügen:
    »In kirchlichen Funktionärskreisen sehe ich eine erschreckende Kälte gegenüber dem Leben. Aber auch bei spirituell suchenden Menschen sehe ich oft eine durchgekurte Unbekümmertheit und eine modische und spirituell verkappte Gelassenheit, die die Welt nicht ernst nehmen will und sich nicht kümmert um das Leben.« (Mann, 62 Jahre)
    »Viele leben nach der Devise: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.« (Frau, 34 Jahre)
»Falsche Gelassenheit im Sinn versteckter Gleichgültigkeit sehe ich vor allem in den Kirchen und überall dort, wo die Menschen aus Ängstlichkeit oder Feigheit wegschauen.« (Mann, 35 Jahre) »Falsche Gelassenheit sehe ich in der Rezeption von Nachrichten, die nüchtern über Tragödien und Katastrophen berichten. Und beim nüchternen Aufzählen von Zahlen und Statistiken, die über bedauerliche Fakten in der Welt Auskunft geben.« (Frau, 46 Jahre, Journalistin)
    »Eine erschreckende Pervertierung der Gelassenheit zeigt sich vor allem in der Vogelstrauss-Politik. Wenn Politikerinnen und Politiker den Kopf in den Sand stecken und die Wirklichkeit nicht sehen und nicht hören wollen.« (Mann, 65 Jahre)
    »Falsche Gelassenheit existiert immer dann, wenn es heißt: ›Die sind selbst schuld an ihrem Leiden‹. Oder wenn jemand sich nicht dem Leiden aussetzen will und das Leiden anderer ›überspielt‹ mit Sätzen wie ›Es ist ja alles nicht so schlimm, es gibt Schlimmeres‹.« (Frau, 52 Jahre)
    Manche Zeitgenossen fallen dann in eine falsche Gelassenheit, wenn sie die Ohnmacht gegenüber Zerstörung und Ungerechtigkeit in der Welt nicht mehr aushalten können und wollen:
    »Falsche Gelassenheit erlebte ich in mir als Selbstschutz, wenn ich auf Reisen in andere Länder und Kontinente Straßenkindern begegnete. Nach dem ersten emotionalen Schmerz schnitt ich die Kinder jeweils innerlich ab, sie wurden mir lästig und zu einer Ware, an der ich emotionslos vorbeigehen konnte.« (Frau, 38 Jahre)

    Weil fremdes Leiden weh tut, verweigern sich nicht wenige Menschen den Nachrichten im Fernsehen, in Zeitungen oder im Internet. Das ist aber selten ein Ausdruck von Gelassenheit oder echtem Selbstschutz, sondern vielmehr von geistiger Erstarrung und seelischer Resignation. Falsche Gelassenheit kann auch die Frucht eines pseudo-religiösen Fatalismus sein. Im Extremfall vertreten

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