Die Kunst engagierter Gelassenheit
Sehnsucht, zur Bescheidenheit in der Liebe und zur Zufriedenheit mit dem, was wir heute sind und haben, wissen und können.
Gelassenheit bedeutet anzunehmen, was generell oder zumindest im Moment nicht zu ändern ist. Alles Leben ändert sich permanent. Politische Systeme, die die Menschen in Unfreiheit halten, müssen irgendwann fallen wie die Mauer von Berlin, und auch in den Religionen erfolgen notwendige Reformen automatisch, wenn die Zeit reif ist.
Mit dem Wissen um die permanente Wandelbarkeit des Lebens können wir unsere Welt samt ihrer Widersprüche und Makel leichter akzeptieren. Gelassene Menschen leben in der Erfahrung, dass unser Leben eine Gabe und seine permanente Veränderung eine Aufgabe ist. »Wenn man das Dasein als eine Aufgabe betrachtet, dann vermag man es immer zu ertragen«, schrieb die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach.
Bitten und beten
Sollen wir bei einer Krebsdiagnose, die uns noch ein Lebensjahr verspricht, alle Hebel in Bewegung setzen, Bestrahlungen und Chemotherapie auf uns nehmen und die Zeit im Krankenhaus mit manchen Nebenwirkungen fristen oder sollen wir die Krankheit einfach akzeptieren, nach Hause gehen und unser Leben ganz natürlich abschließen – oder gar mit aktiver Sterbehilfe vorzeitig beenden? Sollen wir unsere Partnerinnen, die sich lange vernachlässigt fühlten und sich in einen anderen Mann verliebt haben, einfach ziehen lassen oder sollen wir alle Hebel in Bewegung setzen und mit Hilfe von Freunden und einer Paartherapie einen Neuanfang wagen? Sollen wir unsere Schlaflosigkeit akzeptieren und in den wachen Stunden etwas lesen oder Musik hören oder sollen wir dagegen kämpfen mit Schlafmitteln oder Atemtherapie? Sollen wir akzeptieren, dass wir seit Jahren allein leben und keinen Partner finden oder sollen wir eine Annonce ins Internet oder in eine Zeitschrift setzen? Sollen wir uns mit der Tatsache, auf natürliche Weise keine Kinder zu bekommen, abfinden, ein soziales Kinderprojekt unterstützen und den Patenkindern mehr Zeit schenken oder sollen wir alle modernen medizinischen Methoden zu Hilfe nehmen? Sollen wir die vielen Überstunden am Arbeitsplatz wie alle anderen Kollegen still hinnehmen oder das Gespräch mit der Chefin suchen und uns dabei unbequem machen und möglicherweise eine Beförderung gefährden? Sollen wir die laute Musik der Nachbarn akzeptieren oder mit dem Besen ein paar Mal kräftig an die Decke poltern? Sollen wir im Sinn der religiösen Toleranz das Schleiertragen von muslimischen Lehrerinnen in Westeuropa tolerieren oder verbieten?
Was können und müssen wir annehmen, was sollen und müssen, können und wollen wir verändern? Diese Frage lässt sich meistens nicht leicht und eindeutig beantworten. Darum gibt es im berühmten Gebet um Gelassenheit die dritte Bitte um Weisheit, das Eine vom Anderen unterscheiden zu können. Gerade wenn wir unschlüssig und unsicher sind, zweifeln und hadern mit der richtigen Reaktion auf eine Leidenssituation, ist das Gebet um Klarheit und Weisheit wichtig und im eigentlichen Sinn not-wendig. Zudem gibt es in unserem Leben und in der Welt vieles, was wir nicht persönlich oder mit natürlichen Mitteln ändern können, wo wir aber um Kraft und Mut für Menschen und Institutionen bitten können, die mehr Einfluss auf den Lauf der Dinge haben.
■ Mit welchen unvermeidbaren Situationen und Tatsachen in meinem Leben habe ich Mühe?
■ Mit welchen unvermeidbaren Tatsachen in der Welt kann ich mich nicht abfinden?
■ Mit welchen unvermeidbaren Situationen im Leben habe ich eine kreative Weise der Kooperation gefunden?
■ Wo, wann und wie habe ich aus einer nicht selbst gewählten Leidenssituation das Beste gemacht und durch ein neues höheres Ziel der Situation einen Sinn abgerungen?
■ Wo und wie erlebe ich den Graubereich, wo ich nicht genau weiß, ob ich etwas annehmen oder ob ich für eine Veränderung kämpfen kann und muss?
Liebe, was du ändern willst!
Sei du selbst die Veränderung,
die du dir wünschst für diese Welt.
Mahatma Gandhi (indischer Friedensstifter, 1869 – 1948)
Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen,
nämlich, dass sich vieles ändern lässt,
bloß nicht die Menschen.
Karl Marx (Philosoph, 1818 – 1883)
Ihr müsst die Menschen lieben,
wenn ihr sie ändern wollt.
Johann Heinrich Pestalozzi (Pädagoge, 1746 – 1827)
Im Gelassenheits-Gebet lautet die zweite Bitte: »Gott, verleih mir Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann.« Rein technisch
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