Die Kunst, frei zu sein
dominiert. Aber es hat sich als klarer Irrweg erwiesen, da es uns dazu bringt, einander wie die Verrückten an die Kehle zu gehen. Wettbewerb ist das Glaubensbekenntnis von Sklaven. Wir meinen, uns zu erhöhen, indem wir den anderen niedermachen, doch in Wirklichkeit würdigen wir uns auf das Niveau eines Sklaven herab. Zu konkurrieren ist ein Zeichen der Unterwerfung, denn es bedeutet nur, dass wir die Wünsche unseres Vorgesetzten erfüllen. Es wird Zeit, zu Kooperation, Nachbarschaftsgeist, zweiwöchigen Festlichkeiten und Freigebigkeit zurückzukehren.
Die Gewerkschaften haben den Fehler gemacht, das Management zu bekämpfen beziehungsweise mit den Chefs zu wetteifern. Die Schlacht zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung ist eine Schlacht zwischen Groll und Habgier. Die Arbeiter knurren, und die Bosse wollen mehr Gewinn. Sämtliche Energie wird für den Kampf gegeneinander vergeudet und nicht kreativ eingesetzt. In den Gilden des Mittelalters vereinten sich Gewerkschaft und Geschäftsführung, denn die Gilden wurden von ihren Mitgliedern geleitet. Also müssen wir Gilden gründen. Ich habe bereits zwei angekurbelt: die Clerkenwell Freedance Writers Guild und die North Devon Diggers Guild. Wir planen, ein Wappen zu kreieren und aus unserer Gemeinschaftskasse üppige jährliche Feste zu finanzieren. Und wir werden einander in Zeiten der Not helfen.
GRÜNDE EINE GILDE
9
Entkomme den Schulden
Vor einem Jahr hatte ich noch keinen roten Heller.
Nun habe ich zwei Millionen Dollar Schulden.
Mark Twain
Banken sind böse. Das mag sich nach einer unbedachten Vereinfachung des Problems von Geld und Schulden anhören, aber vor nicht allzu langer Zeit galt dies buchstäblich. Vom frühen Mittelalter bis über das Jahr 1500 hinaus kam der Geldverleih gegen Zinsen – oder Wucher – für niemanden in Frage, dem ernsthaft an seiner Erlösung gelegen war. Ein solches Verhalten war eine Sünde, es war verboten, es war böse.
Der Grund für die Ächtung des Wuchers bestand, wie gesagt, darin, dass Zeit als Gottesgeschenk galt und deshalb nicht gekauft oder verkauft werden durfte. Im Lukasevangelium sagt Jesus: »Tut wohl und leihet, dass ihr nichts dafür hoffet« (6, 35). Wucher widersprach außerdem deshalb der christlichen Lehre, weil dadurch ein in Not geratener Nachbar ausgebeutet wurde. Und genau darum geht es beim Geldverleih. Zudem wurde Wucher als träge Methode des Geldverdienens verurteilt, da man nur abzuwarten braucht, um einen Gewinn zu erzielen. Er war keine wirkliche Arbeit, denn er brachte nichts hervor, sondern verursachte Elend. In mittelalterlichen Kirchen gibt es zahlreiche Plastiken, die überreiche Geldverleiher darstellen.
Um zu ermessen, wie sehr sich die Dinge geändert haben, sollten wir einen Blick auf die Geschichte von Pater O’Callaghan werfen, dem idealistischen Priester, der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, in jener großen Ära der kapitalistischen Expansion, versuchte, die Gesetze gegen den Wucher wieder einführen zu lassen. Natürlich geriet er in eine Sackgasse, denn seine Ideen widersprachen der Raffsucht jener Zeit. Nachdem er 1819 seine Erleuchtung gehabt hatte, verweigerte er einem Getreidehändler auf dem Totenbett die Absolution, bis dieser sämtliche Zinseinnahmen an seine Schuldner zurückgezahlt hatte. Diese Praxis entsprach den mittelalterlichen Bräuchen: Laut Jacques Le Goff erstatteten überreiche Geldverleiher auf dem Totenbett ihren Opfern alle eingestrichenen Einnahmen zurück, um nicht in der Hölle zu enden. In jenen Tagen dürfte es zumindest leicht gewesen sein, jemanden zu finden, der Verantwortung übernahm, während in der heutigen Zeit, in der jeder »nur seine Arbeit macht«, niemand für irgendetwas verantwortlich sein will.
Der Getreidehändler zeigte also Reue, und das Geld wurde zurückgezahlt. Aber nach Beschwerden anderer Wucherer – oder anderer Geschäftsleute, geschäftiger Leute, Gschaftlhuber – aus der Gegend wurde Pater O’Callaghan von seinem Bischof zur Ordnung gerufen und schließlich daran gehindert, die Messe zu zelebrieren. Der arme, geächtete O’Callaghan, der schlicht eine Aussage gemacht hatte, die im Jahr 1200 so unumstritten gewesen wäre wie die Worte »Schwarz ist schwarz«, wanderte durch die Welt, um orthodoxe Katholiken zu suchen, mit denen er sich zusammentun konnte. Diese Suche scheiterte, und sogar der Vatikan war des Priesters nach einiger Zeit überdrüssig. Immerhin wurde O’Callaghans Buch über den Wucher von
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