Die Kunst, frei zu sein
Cornwall; heute sind es nur noch zwei oder drei. Die besten Herrenhäuser wurden nach Art einer Kommune geführt, in der sich alle Mitglieder die Arbeit und die Erträge teilten.
Vielleicht können wir nicht zu der glücklichen Beziehung zwischen Dienern und Herren zurückkehren, und es mag besser sein, jene beengende Dualität hinter uns zu lassen. Hilfe ohne Hierarchie – das sollte unser Ziel sein. Unzweifelhaft verringert sich die Last durch die Mitwirkung zahlreicher Personen. Wenn wir ein großes Sonntagsessen abhalten, hilft jeder bei der Zubereitung der Mahlzeit oder bringt Salate und Brot mit. Außerdem helfen alle beim Auftragen und anschließend beim Abwaschen. Wir versuchen, häufig Freunde zum Übernachten einzuladen, denn die Bürde wird erheblich geringer, wenn ein paar Leute mit anpacken. Unter solchen Umständen kann die Arbeit sogar vergnüglich sein, weil dabei geplaudert wird.
Ein Problem bei der Hausarbeit besteht darin, dass das Fernsehen, das eine unrealistische Perfektion fördert, einen absoluten Maßstab setzt. Dabei sollte der Zustand des eigenen Haushalts dem individuellen Urteil überlassen bleiben. Auch ich selbst mache den Fehler, beim Saubermachen einem absurden absoluten »Maßstab« nachzueifern, obwohl es ihn gar nicht geben kann (wie oft meine Mutter auch das Gegenteil behaupten mag). Ich rede mir das auch selbst ein, weil ich kein Chaos mag. Würden wir alle an Ort und Stelle aufräumen, hätten wir mehr Zeit für den Müßiggang.
Eine Lösung wäre natürlich die allgemeine Absenkung der Maßstäbe oder, besser noch, die Verabschiedung sämtlicher Maßstäbe (meine Mutter wäre anderer Meinung). Im Vereinigten Königreich müssen wir seit einiger Zeit eine Fernsehshow – und entsprechende Bücher – mit dem Titel How Clean Is Your House? * ertragen. Zwei Schuldgefühle auslösende, faschistoide Matriarchinnen reisen durchs Land und beschämen die Nation, damit die Bürger aufräumen.
Wie in vielen Lebensbereichen mache ich die Viktorianer auch hier für unsere gegenwärtigen Missstände verantwortlich. In jenem dunklen, rationalen Zeitalter wurde die Parole »Reinlichkeit kommt gleich nach der Gottseligkeit« zum moralischen Maßstab: Gute Menschen haben saubere Häuser; schlechte Menschen haben schmutzige Häuser. Aber Reinlichkeit drückt keine moralische Überlegenheit aus, genauso wenig wie ihr Gegenteil ein Beleg moralischer Minderwertigkeit ist. Schließlich gibt es sogar »schmutzige« Heilige, die es für eitel hielten, sich zu waschen. Wie ich erfahren habe, wechselten auch die Tempelritter aus solch einem Grund niemals ihre Unterhose.
Außerdem akzeptiert man heute, dass übermäßige Ordentlichkeit im Landbau ökologisch anfechtbar ist. Für den ökologischen Gartenbau und die Permakultur wird geraten, stets ein Stück Land unbestellt zu lassen, um ein Habitat für die Natur mit ihrer Flora und Fauna zu schaffen. In The History of the Countryside beklagt der Wissenschaftler Oliver Rackham »die vandalistische Hand der Reinlichkeit«, jenen vorstädtischen Drang, alles aufzuräumen. »Alljährlich«, schreibt er, »fegt [dieser Drang] etwas Schönes oder Bedeutungsvolles hinweg.« Die Auswirkungen des Sauberkeitsfimmels bezeichnet er als »die kleinen unbewussten Vandalismen, deren Täter das Verworrene und Unberechenbare hassen, doch nichts hervorbringen«. Hingegen liebt Rackham die alte auswuchernde Hecke. In seinem Buch erwähnt er »Hoopers Regel«, die besagt, man könne das ungefähre Alter einer Hecke bestimmen, indem man die Zahl der Arten in einem dreißig Meter langen Abschnitt mit hundert multipliziert. Zum Beispiel enthält die wunderbar unordentliche Hecke in meinem Gemüsegarten Schlehe, Holunder, Weißdorn und Stechpalmen, was bedeutet, dass sie um 1600 angepflanzt worden sein muss.
Auch die fixe Idee, dass alles weiß sein muss, ist nicht hilfreich. Warum ist Babykleidung so weiß? Sobald ein Staubkorn auf ihr erscheint, wird sie in die Waschmaschine geworfen. Das Beharren darauf, dass Sachen makellos weiß sein müssen, verursacht viel unnötige Schufterei. Wäre braune Wolle kein vernünftigerer Stoff, da sie den Schmutz aufsaugen und vielleicht sogar verbergen kann? Auch weiße Plastikküchenschränke müssen dauernd gesäubert werden, während Holz kleine Flecken und Flüssigkeiten absorbiert. Es macht weniger Arbeit, braunes Holz rein zu halten, als weißen Kunststoff. Unsere Kommode aus Kiefernholz brauche ich nur selten zu säubern,
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