Die Kunst, frei zu sein
–, dann liegt es an uns, Sinn zu schaffen. In unserer Trägheit meinen wir, der einzige uns verfügbare Sinn sei der zufällig in unserer Gesellschaft vorherrschende: in Form der uns überlieferten Mythen, des bourgeoisen Konstrukts. Doch schon ein flüchtiger Blick auf die Gesellschaften der Geschichte und anderer Kulturen der Welt sollte uns deutlich machen, dass die Art, wie wir im industrialisierten Westen vorgehen, nur eine unter unzähligen Möglichkeiten ist.
Zum Beispiel kann ich mich nicht darüber beklagen (was ich trotzdem tue), dass man mich als Autor dieses Buches ausbeutet. Dadurch, dass ich diesen Text einem großen Unternehmen anbiete, akzeptiere ich, dass ich zehn Prozent des Ladenpreises erhalte und dass andere die übrigen neunzig Prozent unter sich aufteilen. Dabei handelt es sich um verschiedene Spekulanten, die hoffen, mit meinem Text Geld zu verdienen: um den Verleger, den Großhändler und den Einzelhändler. Darüber könnte ich mich beklagen, doch da ich mich dem System freiwillig angeschlossen habe, wäre das sinnlos. Als Alternative könnte ich die volle Verantwortung für mein Buch übernehmen und es im Selbstverlag herausbringen. Ich könnte durch das Land fahren, Buchläden aufsuchen und den Ladenbesitzern vorschlagen, eine Bestellung aufzugeben.
Jammern heißt, sich seiner Verantwortung zu entziehen. Manche verdienen damit Geld, besonders Anwälte. Bei Scheidungen zum Beispiel empfehlen sie beiden Partnern, dem anderen die ganze Schuld an den Problemen der Beziehung zuzuschieben. Anwälte sind Experten darin, den Kläger von jeglicher Verantwortung zu entlasten; sie versichern ihrem Mandanten, er trage nicht die geringste Schuld, vielmehr sei die andere Seite offensichtlich übergeschnappt. So etwas macht süchtig. »Anwälte sind wie Heroin«, sagt mein Freund Bill Drummond, und meiner Erfahrung nach hat er recht. Sie sorgen dafür, dass man sich wohlfühlt und dass man mehr und mehr von dem haben will, was sie anbieten. Außerdem sind sie sehr, sehr teuer.
Ich habe meinem Sohn Arthur erklärt, dass er nicht zur Schule zu gehen braucht, wenn er es nicht will. Es gibt andere Möglichkeiten, ihn auszubilden und aufzuziehen. Wenn er in die Schule geht, dann deshalb, weil er sich dafür entschieden hat. Ein Soldat hat sich entschieden, die Möglichkeit zu akzeptieren, dass er in einem Krieg kämpfen und sich auf Tod oder Verwundung einstellen muss.
Trotzdem jammern wir alle. Ich zum Beispiel stöhne dauernd über die Steuern und die Bürokratie. Sicher, es kann Spaß machen zu jammern, und mein Freund Murphy behauptet: »Ich stöhne gern.« Das ist vermutlich in Ordnung. Wenn du zugibst, dass du gern jammerst, dann übernimmst du die Verantwortung dafür, und du begreifst es als Jammern, nicht als rationale, objektive Reaktion auf die Umstände.
Wir mögen zu Recht empört über den vorhandenen Grad an Ausbeutung, Brutalität und Kontrolle sein. Darüber können wir uns beklagen, aber wir müssen auch unsere Mitschuld an der Situation einräumen. Wenn du dich über deinen Arbeitsplatz beschwerst, dann solltest du kündigen und dir eine eigene Beschäftigung aufbauen.
Vor kurzem habe ich an Frauen etwas Schockierendes entdeckt. Wenn sie sich beklagen, suchen sie anscheinend nicht nach Lösungen. Sie wollen einfach nur jammern, damit ihr Mann mit ihnen sympathisiert und ihnen zustimmt. Auf keinen Fall wollen sie das, was sie von Ehemännern gewöhnlich hören: einen Ratschlag. Sie wollen keine Empfehlung, »einen Kurs zu belegen« oder »sich eine Arbeit zu suchen«, sondern sie möchten bloß jammern. Das kommt einem geradlinigeren Mann verrückt vor. Aber so ist es nun mal. Vielleicht hilft ja die Bestätigung, dass das Jammern vergnüglich sein kann. Victoria meint, dass ich fluche, statt zu jammern. Dadurch mache ich meinem Zorn Luft, um mich dann wieder normal zu verhalten.
Wir sollten unsere Klagen für uns behalten und die Dinge, die wir hassen, durch Dinge ersetzen, die wir lieben. Zum Beispiel bebaue ich nun, statt zum Supermarkt zu fahren, einen Gemüsegarten, habe Freunde, die mich besuchen, Bücher, ein Pferd und Umgang mit Leuten, die ich mir selbst aussuche. Vermeide den Blödsinn. Ignoriere ihn. Ja, die Welt ist voll von Schrott und den denkbar schlimmsten Produkten. Also ignoriere sie und schaff dir eine erfreuliche Welt mit hochwertigen Produkten.
Wenn ich ein Konto habe, kann ich mich nicht darüber beschweren, dass ich der Bank Zinsen und Gebühren zahlen muss.
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