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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Aber es liegt auf der Hand, dass sie versuchen wird, so viel Geld wie möglich aus mir herauszuquetschen. Das entspricht ihrem Wesen als Bank. Alternativ könnte ich auf ein Konto und eine Kreditkarte verzichten.
    Besonders häufig knurre ich über Tankstellen. Wenn ich einen solchen Höllenpfuhl mit teurem Gerümpel aufsuche, überkommt mich Snobismus. Arme Trottel, denke ich, die ihr auf all den Mist hereinfallt. Dann wird mir klar, dass ich selbst ebenfalls auf den Mist hereinfalle. Was also gibt mir das Recht, mich den anderen überlegen zu fühlen? »Wer zum Teufel sind all diese Leute?«, stöhnen wir, wenn wir im Verkehr stecken bleiben. Na ja, sie sind wir, denn wir gehören schließlich mit dazu. Manchmal jedoch, wenn ich beschlossen habe, heiterer Stimmung zu sein, sitze ich im Bus, der durch die Oxford Street fährt, und bin entzückt von der Vielfalt des Lebens um mich herum.
    Es gibt unterschiedliche Arten des Jammerns. Da ist das Stöhnen, mit dem man sich bloß vor der Verantwortung drückt, und dann ist da noch das verantwortungsvolle oder positive Jammern. Wenn Jammern zur Übernahme von Verantwortung führt, dann kann es ein positiver Akt sein, ein Schritt in die erforderliche Richtung. Penny Rimbaud meinte: »Unser Leben gehört einzig und allein uns selbst. Das ist eine Verantwortung, die anscheinend wenige zu tragen bereit sind.«
    In letzter Zeit hat sich im Vereinigten Königreich eine Redewendung verbreitet, die zunächst unüberlegt positiv klingt, mir aber bei genauerer Betrachtung für eine existenzielle Feier aller Lebensaspekte zu stehen scheint. Die Wendung lautet: »It’s all good.« Sie wird in der Regel sofort nach einer Klage gebraucht. Wenn ich also einem Freund zehn Minuten lang mein Leid ausschütte, könnte ich mit den Worten schließen: »Oh, well, it’s all good«, was bedeutet: All das gehört zum Leben, und wer weiß, ob die eine Sache besser ist als die andere? Ist Florenz wirklich besser als Swindon?
    Einer der großen Vorteile für einen Schriftsteller ist der, dass er, wenn ihm etwas Schlimmes zustößt, einfach denken kann: »Oh, das könnte ein guter Stoff für mich sein.« Als ich unlängst wegen Fahrens ohne Versicherung vor Gericht erscheinen musste, beschloss ich deshalb, das Erlebnis zu verarbeiten, statt mich darüber zu beschweren. Zelebriere das Schlechte, zelebriere das Gute, denn vielleicht sind sie sogar identisch. Jedenfalls kam ich noch einmal davon.
    SEI DANKBAR FÜR DAS,
WAS DU HAST

19
    Leb ohne Hypothek;
sei ein beschwingter Wanderer
    Man wird meinen wenigen erklärenden Worten entnehmen,
dass die Thesen – Gott ist böse, und Eigentum ist Diebstahl –
nicht bloße Paradoxa sind. Obwohl ich an ihrer
buchstäblichen Bedeutung festhalte, will ich den Glauben
an Gott genauso wenig zu einem Verbrechen machen,
wie ich Eigentum abschaffen will.
Pierre-Joseph Proudhon, 1864
    Ach, wenn wir diese verfluchte Hypothek nur loswerden könnten! Wann immer ich Vorträge über die Freuden und Vorteile des Müßiggangs halte, werde ich gefragt: »Was ist mit der Hypothek?« Die Zuhörer nennen ihre Hypothek als Hauptgrund dafür, dass sie einer Arbeit nachgehen, die ihnen missfällt. »Es ist schön und gut, vom Sitzen in der Sonne zu reden«, sagen sie, »aber ich habe eine Hypothek.« Offenkundig ist die Hypothek zum Symbol der Unterdrückung geworden. »Ich brauche nur noch die Hypothek abzuzahlen, dann bin ich frei«, behaupten sie. Es ist also der mächtige Elefant der Hypothek, der uns den Weg versperrt. Eigentum, das Freiheit verspricht und Sklaverei liefert!
    Was also ist eine Hypothek? Sie ist ein sehr hoher Kredit, den man aufnimmt, um in einem Haus oder einer Wohnung leben zu können. Da der Kredit in einem Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren zurückgezahlt wird, ist der Zins im Vergleich zu kürzerfristigen Darlehen relativ niedrig. Wir verpflichten uns zur Zahlung einer bestimmten Monatsrate, wobei die Höhe von unserem gegenwärtigen Einkommen und vielleicht von unserer Hoffnung auf ein höheres Gehalt in der Zukunft abhängt. Eine Hypothek zu haben gilt als vernünftig, weil man am Ende Besitzer einer Immobilie ist. Mithin stützt sich die Hypothek auf die Vorstellung einer Nation von Haus- oder Wohnungseigentümern. Doch während wir hinter diesem Traum herjagen, übergeben wir den Löwenanteil unseres Eigentums der Bank. Die Vorstellung, dass uns dieses Haus gehört, ist also eine Illusion – es gehört der Bank, solange wir abzahlen. Die Zinsen

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