Die Kunst, frei zu sein
ihre Weise aufzuwachsen. Die beschützende Einmischung, vorgeblich im Namen der Liebe, ist für viele Probleme verantwortlich. Der Versuch, der Natur eine bestimmte Ordnung aufzuzwingen, löst geistige und körperliche Krankheiten aus. Heutzutage hören wir immer wieder, wir müssten »inhaltlich hochwertige Zeit« mit den Kindern verbringen. »Nimm dir jeden Tag Zeit zum Spielen.« Solche Regeln wirken sich einfach deshalb negativ aus, weil sie die Elternschaft aus einem Liebesdienst zu einer Pflicht machen – zu einer Arbeit, der man sich möglichst entzieht. Die Kinderbetreuung wird zur Schinderei, während man einfach nur darauf abzielen sollte, sein Leben gemeinsam zu verbringen. Wenn man zuerst seine eigenen Bedürfnisse befriedigt und die Falle vermeidet, Dinge aus Pflichtgefühl zu tun und sich später über sie zu ärgern, dann wird man ganz von selbst auch ohne Zeitplan mit den Kindern spielen.
Lawrence’ »Lass sie in Ruhe«-Philosophie lässt zudem ein höheres Maß an Respekt gegenüber dem Kind erkennen als übertriebene Planung sowie Schuld- und Pflichtgefühle. Vielleicht wollen die Kinder ja gar nicht, dass ihre Eltern ihnen dauernd auf den Füßen stehen. Wenn ein Politiker verkündet, er wolle mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, dann denke ich immer: Mag sein, aber wollen sie auch mehr Zeit mit dir verbringen? Und so wie Kinder ihre Eltern auffordern sollten: »Lasst uns in Ruhe«, sollten wir Erwachsenen zu unserer Regierung sagen: »Lasst uns in Ruhe.« Natürlich handelt es sich hier um den gleichen Prozess: Dadurch, dass wir uns zu sehr umsorgen lassen, verlieren wir unser Selbstvertrauen, und ein Gefühl der Untauglichkeit und Abhängigkeit schleicht sich ein.
»Gutartige Vernachlässigung« ist eine weitere hübsche Formulierung, mit der man die von mir bevorzugte Haltung beschrieben hat. Es wird Zeit, den Gedanken in die Praxis umzusetzen.
Was mich über die Maßen deprimiert, ist die Erklärung, die manche Eltern mit ermüdender Regelmäßigkeit, gewöhnlich über Jungen, von sich geben: »Er muss abgehärtet werden, denn die Welt da draußen ist hart. Es herrscht ein gnadenloser Wettbewerb.« Warum sagen sie nicht: »Die Welt da draußen ist wunderbar, also sollten wir ihn wunderbar werden lassen!« Wenn die Welt voll von Arschlöchern ist, sollte man das Problem nicht dadurch verschärfen, dass man seinen eigenen Sohn ebenfalls zu einem Arschloch erzieht. Gib ein gutes Beispiel!
In Wirklichkeit ist die Welt dort draußen nur dann hart, wenn du dich dafür entscheidest. Wenn du das Leben als Rennen oder als Wettbewerb siehst, dann wird es genau das sein. Siehst du es dagegen als eine Zeit voller Wunder und Zauber, dann wird es auch dazu werden. Dadurch, dass wir unseren Kindern mitteilen, alles sei grässlich und hart und unfair, vergrößern wir das Problem.
Wir reglementieren unsere Kinder auf verhängnisvolle Art und erzeugen eine Nation nutzloser Abhängiger, die nicht imstande sind, etwas für sich zu tun, außer völlig unbrauchbaren Beschäftigungen wie Computerspielen, Tennis oder Ballett nachzugehen. Wir schaffen eine Generation von Kindern, die nicht weiß, wie man spielt. Ich erinnere mich an eine Karikatur im New Yorker, in der zwei Kinder mit ihren Palm Pilots in der Hand nebeneinanderstehen. »In Ordnung«, sagt das eine, »ich kann dich nächsten Donnerstag um 16 Uhr für ungeplantes Spielen vormerken.« Die meisten dieser so genannten kindlichen Freizeitaktivitäten sind belanglose Ablenkungen, und wir sollten Kinder besser einfach miteinander spielen und ihre eigene Unterhaltung entwickeln lassen, was sie bereitwillig tun werden. Unterdessen kannst du deiner eigenen Beschäftigung nachgehen. Um mich nicht darüber zu ärgern, dass ich auf Kinder aufpassen muss, trage ich gewöhnlich ein Buch bei mir. Dann kann ich, wenn sie friedlich miteinander spielen, ein paar Seiten lesen.
Ein Beispiel für den auf Kinder gerichteten Planungswahn in meinem eigenen Leben besteht darin, dass Victoria für samstagmorgens um 9 Uhr eine halbe Fahrstunde von unserem Haus entfernt Tennisunterricht für Arthur verabredet hat! Da haben wir nun einen Morgen, an dem wir uns nicht beeilen müssen, um ihn für die Schule fertig zu machen, und sie setzt einen frühen Termin für ihn fest – dazu noch für teures Geld! Sie hat ein Gegenstück zur Schule gefunden. Wie verrückt ist das denn? Die wilde Überplanung muss aufhören! Lasst die Kinder in Ruhe!
Wir versuchen, das Problem mit
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