Die Kunst, frei zu sein
denn sie sind Sünder und zum ewigen Fegefeuer verdammt! Fürwahr!
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Die Anti-Kleinfamilie
Lass die Kinder in Ruhe. Schick sie hinaus
auf die Straße oder auf den Spielplatz und schenk
ihnen keine Beachtung.
D. H. Lawrence,
»Education of the People«, 1918
Wir hören häufig von gestörten Familien. Gedacht als Quelle des Vergnügens, der Freude, der Behaglichkeit und der Ernährung, scheint die Familie überall nur Elend, Zorn, Türschlagen, Brüllen, Grausamkeit, Kämpfe, Tod und Missbrauch hervorzubringen. Wir sind zusammengepfercht. Irgendetwas ist eindeutig schiefgegangen. Ich glaube, dass Familien im Allgemeinen schlicht zu klein sind. Außerdem sind sie unkreative Gebilde.
Viel zu oft bedeutet »Familie« nur noch, dass vier völlig verschiedene und einander feindlich gesinnte Personen unter demselben Dach wohnen. Die Haushalte der alten Zeit dagegen waren kreative, funktionsfähige, produktive Einheiten. Nähen, Stricken, Flicken und Anbau von Kräutern und Kopfsalat waren nicht unbedingt Schinderei (und sie sind bestimmt keine Schinderei, wenn man sie mit der ganztägigen Arbeit in einem Call-Center oder in einem Supermarkt vergleicht). Selbständige Arbeit, produktive Arbeit, autonome Arbeit, kreative Arbeit: das kann eine Freude sein. Schinderei ist nur dann Schinderei, wenn wir sie so nennen. Unser Geist macht sie dazu. Als der Haushalt noch ein lebendiger, atmender Organismus war, der Nahrung und Kleidung sowie Unterkunft lieferte, schufen wir unsere Tätigkeit weitgehend selbst. Der Familienwohnsitz bot Arbeit, Fröhlichkeit, Kleidung und Lebensunterhalt.
Während die Unternehmen wachsen, schrumpfen die Familien. Megakonzerne werden zu Begründern von Gemeinschaften. Die zentrale Rolle des Haushalts als Produktionseinheit ist fast verschwunden, und das Heim ist nun eine Absteige, eine Entspannungszone und ein Zufluchtsort, an dem man fernsieht. Früher haben Familien zusammengearbeitet, heute sind sie passiv und durch und durch unkreativ geworden. Die moderne Familie steht lediglich für eine finanzielle Belastung – mit anderen Worten, sie ist ein Motiv dafür, Beschäftigungen zu übernehmen, die uns nicht gefallen. Kürzlich las ich von einer Mutter, die wider Willen in einem Supermarkt arbeitet, nur damit ihre Kinder sich teure Turnschuhe und Computerspiele kaufen und mit ihren Freunden mithalten können. Das ist das hilflose Sklavendenken, dem wir uns entziehen müssen, wenn wir nach Freiheit streben.
Übrigens ist es gegen alle Erwartung möglich, nützliche, unterhaltsame Aktivitäten mit der gefürchteten »Kinderbetreuung« zu verbinden. Die Kommerzialisierung der Kinderbetreuung ist eine weitere unselige Folge des Kapitalismus. Du tust etwas dir Verhasstes, damit du genug Geld verdienst, um andere für die Betreuung deiner Kinder bezahlen zu können. Die gestörte Familie lässt zudem eine riesige schmarotzerhafte Industrie aus Experten, Medikamenten, Therapieprogrammen und Bestsellern von John Cleese entstehen. All das hilft wenig – im Gegenteil: Dadurch, dass man sich unaufhörlich über das Problem auslässt, verschlimmert man es nur. Wenn man das Vorhandensein eines Problems bestätigt, schafft man einen Markt. Deshalb erschafft die Pharmaindustrie ständig neue Krankheiten; deshalb erzeugt die Versicherungsbranche ständig neue Ängste; deshalb erfindet die Regierung ständig neue Feinde. Es ist dringend geboten, eine Entindustrialisierung einzuleiten.
Viel besser wäre es, all die teuren Ratschläge und Hilfsleistungen von »Experten« zu ignorieren und stattdessen im eigenen Haus Kinderarbeit einzuführen. Ernenne deine Kinder zu Produzenten und Schöpfern. Zum Beispiel habe ich festgestellt, dass es Kindern Spaß machen kann, im Garten zu helfen. An manchen Nachmittagen gehen wir mit einer Säge, einem Meißel und einem Stück Treibholz in die Werkstatt und stellen etwas her. Wir haben einen Elefanten, Flugzeuge, Raketen und eine abstrakte Skulptur vorzuweisen: »Wild Wood«, zwei zu einem Kreuz zusammengenagelte Bretter, die mit Zeitungsfetzen bedeckt sind und nun in der Küche eines bekannten Künstlers hängen. Das habe ich ohne die geringste Begabung oder Fähigkeit zustande gebracht. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Spielsachen bei den Kindern nicht so beliebt sind wie etwa der ferngesteuerte Außerirdische oder die Schokoladenmünzen-Maschine. Aber Kinder sind stets nur ein Fingerschnippen von Hilfsbereitschaft und Kreativität
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