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Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein

Titel: Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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ihre Psyche mit erschreckenden Folgen nicht nur für den Einzelnen, sondern für die Gesellschaft. Schon drohen den trickreichen und gierigen Kreditkarten-Banken Milliardenverluste. Wenn die Miete auf der Schlossallee keiner mehr zahlen kann, wird das Spiel auch für den Hotelbesitzer sinnlos. Und wenn alles schiefläuft, bezahlt am Ende der Steuerzahler den Wahnsinn der Banken und Konsumenten.
    In dieser Lage richtet sich die Kritik gegen beide, gegen die Banken, die Gier schüren, ebenso wie gegen die leichtfertigen Konsumenten. Die auf Konsum um jeden Preis dressierten Kunden wieder zu Bürgern zu machen, die ihre echten Bedürfnisse von falschen Bedarfsvorstellungen trennen können, ist ein wichtiges politisches Ziel.
    Natürlich bedarf es dazu Kreativität und Phantasie. Wenn es richtig ist, dass den meisten Menschen Sparen sehr schwerfällt, dann wirkt sich dies auch auf die Alterssicherung aus. Wenn nichts geschieht, wird die Altersarmut in der Bundesrepublik gewaltig ansteigen. Was kann der Staat tun? Nun, eine wirtschaftspsychologisch durchdachte Lösung zum Beispiel besteht darin, die betriebliche Altersvorsorge zu flexibilisieren. Statt Lohneinbußen für die Alterssicherung hinzunehmen, verpflichten sich die Beschäftigten der Unternehmen, einen Teil ihrer künftigen Gehaltszuwächse zu sparen. Nach den Gesetzen der Geldillusion
fällt es mir wesentlich leichter, Geld zu sparen, das ich nie sehe und in dessen Besitz ich mich nicht fühle, als etwas konkret abgezogen zu bekommen oder zu überweisen. 18
    Selbstverständlich befreit das kluge Training zur Selbsterziehung von Konsumenten den Staat nicht davon, das gefährliche Spiel der Banken durch scharfe Regeln zu zivilisieren. Was in dieser Hinsicht zu tun ist, wurde in den letzten zwei Jahren heftig, ausgiebig und vielerorts diskutiert. 19 Die wichtigsten Regeln sind:
    • die deutliche Erhöhung der Eigenkapitalquote der Banken bei Kreditgeschäften
    • das Verbot von Hedgefonds, Leerverkäufen und Derivaten
    • die Wiedereinführung der in Deutschland 1991 abgeschafften Börsenumsatzsteuer
    • die Begrenzung von Managergehältern und Einführung eines Bonus-Malus-Systems
    • realistische statt optimistische Kriterien für die Bonität der Banken
    • die Harmonisierung der internationalen Finanzaufsicht
    • eine stärkere Haftung der Aktionäre bei Insolvenzen
    • das Verbot der Veröffentlichung von Quartalsberichten der Banken und Unternehmen, um kurzfristige Spekulationen zu unterbinden
    • Firmen und Banken, die staatliches Geld oder Bürgschaften in Anspruch nehmen, sind diesem uneingeschränkt rechenschaftspflichtig
    • die Erstellung einer Liste der nach Ansicht des Staates »systemrelevanten« Unternehmen
    • die Zahlung von »Versicherungsgebühren« dieser systemrelevanten Unternehmen an den Staat als Rücklage für den Fall ihrer Insolvenz
    Wie viele dieser Forderungen sich national und international durchsetzen lassen werden, daran muss jede Politik in Deutschland
und in Europa sich messen lassen. Doch nur wenn der Staat auf diese oder ähnliche Weise gegen Missbrauch vorgeht und Fairness und sozialen Ausgleich garantiert, gibt es Aussichten auf eine positive Zukunft, die die Kunst kultiviert, nicht auf Kosten der anderen zu leben.
    Unternehmen und Bürger stehen aber auch selbst in der Pflicht, an einer Gesellschaft mitzuarbeiten, in der sie gerne leben wollen. Im zweiten Teil des Buches hatte ich die Frage aufgeworfen, was der Broker, der an der Börse mit Kakao handelt, für die Kinder in Ghana tun kann (vgl. Der Broker, der Kakao und die Kinder in Ghana. Warum wir nie zuständig sind). Nun, es ist das Gleiche, was Josef Ackermann für die Armen tun kann. So etwa kann er sich mit seinen Kollegen dazu verabreden, einen festgelegten Prozentsatz der Gewinne einem in Ghana tätigen Kinderhilfswerk zur Verfügung zu stellen. 20 Vielleicht fahren sie eines Tages gemeinsam nach Ghana und sehen sich die Arbeit in den Plantagen an. Und vielleicht können sie gut damit leben, dass ihre Gewinnspanne sinkt, aber das gute Gefühl sie erhebt, das Leben der Menschen in Ghana besser und glücklicher gemacht zu haben.
    Warum machen Unternehmen, ein mittelständischer Betrieb, ein Konzern oder auch eine Sparkasse, es nicht zu einer Einstellungsvorausetzung, dass sich der Lehrling oder auch ein Angestellter in einem vom Betrieb ausgewählten Partnerprojekt engagiert? Dies kann in der Freizeit geschehen, aber auch in einem konkreten Zeitfenster des

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