Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein
In allen Fällen geht es um »die Entwicklung rechtlich verbindlicher Verhaltenskodizes, die sicherstellen, dass die globalen Operationen der Wirtschaft mit anderen sozialen Interessen und Anliegen versöhnt werden.« 7
Die Überlegungen, die ich dazu im Folgenden anstelle, folgen der Idee eines »liberalen Paternalismus«, wie er auch von führenden Wirtschaftspsychologen international gewünscht und gefordert wird. Die grundsätzliche Forderung lautet: Mehr Regulierung von oben und mehr Freiheit von unten.
Auf Ebene des Staates und je nach Möglichkeit auch auf der von internationalen Staatengemeinschaften gilt es, das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik zu stellen. »Gut leben statt viel haben« lautet die Losung, die auch Felix Ekardt (*1972), Professor für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock, ausgibt. 8 Die Kühnheit seiner Thesen wendet er auf sich selbst an, wenn er vegetarisch lebt, keinen Führerschein besitzt, kein Handy, keinen Fernseher und fast nie ein Flugzeug besteigt. Doch allein durch vorbildliches Verhalten von Einzelnen, das weiß auch Ekardt, wird sich unser Wirtschaftssystem nicht grundlegend verbessern.
Eine solche allgemeine Agenda zum Umbau verfasste der US-AMERIKANISCHE Ökonom, Politologe und Soziologe Herman Daly von der University of Maryland in College Park. Daly war ökologischer Chefberater der Weltbank, engagierte sich für Umweltschutzprojekte in Südamerika und erstellte dabei Richtlinien für einen verbindlichen Umweltschutz. Wie Hans Christoph und Mathias Binswanger, Meinhard Miegel und Felix Ekardt, so ist auch Daly ein scharfer Kritiker unserer Wachstumsideologie. Schon in den 1970er Jahren begeisterte er sich für John Stuart Mills Idee, wie man einen »stationären Zustand« zum Glück aller oder der meisten gestalten könnte. 9 Später erarbeitete er dazu ein Zehn -Punkte-Programm. 10
Für eine umweltgerechtere Wirtschaft formulierte Daly 2008 vier grundlegende Managementregeln der Nachhaltigkeit. Die erste Regel: Ressourcen, die sich selbst erneuern, wie etwa Wälder oder Fischbestände, dürfen nicht stärker genutzt werden, als sie nachwachsen können. Die zweite: Ressourcen, die sich nicht erneuern, wie Erdöl oder Kohle, dürfen nur in den Mengen verbraucht werden, in denen man sie über kurz oder lang auch durch erneuerbare Energien ersetzen kann. Die dritte: Stoffe und Energien, die unsere Umwelt belasten, dürfen nicht in größerem Maße freigesetzt werden, als sie von der Natur verkraftet werden können, ohne schädliche Veränderungen herbeizuführen.
Die vierte: Risiken und Gefahren, die die Menschheit im großen Ausmaß potentiell gefährden, wie zum Beispiel die Kernenergie, sind nicht vertretbar. 11
So weit die guten Absichten. Was sie in der Praxis taugen, erfährt man, wenn man sich ausmalt, einen Vertreter der OPEC-Länder dazu aufzufordern, weniger Öl zu fördern. Man kann auch den Versuch machen, dem russischen Präsidenten die Erdgas-Fördermengen vorzuschreiben oder den Indern und Chinesen die Kernenergie madig zu machen. Schon die Begrenzung der Fangflotten beim Kabeljaufang erweist sich als ein zähes und schwieriges Scharmützel. Und die Abholzung der Regenwälder in Südamerika, Südostasien und Afrika schreitet bekanntlich ebenfalls immer weiter voran.
Dass alle Länder der Welt sich auf Dalys Regeln verständigen, ist ausgeschlossen. Was bleibt, ist allein der Versuch, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen in der Hoffnung auf den einen oder anderen Nachahmungseffekt. Doch auch in umweltbewussten Ländern wie Skandinavien, den Benelux-Ländern, Deutschland und der Schweiz ist es schon schwer genug, das künstlich befeuerte Wachstumsrad zum Stillstand zu bringen.
Selbstverständlich ist Wachstum nicht in jeder Hinsicht schädlich, etwa als Zuwachs bei regenerativen Energien. Auch neue Technologien und Werkstoffe können ihren Beitrag dazu leisten, dass es Wachstum gibt, das nicht darauf beruht, nicht-nachwachsende Energien schonungslos auszuplündern und die Umwelt zu belasten. Gleichwohl kommt man auch durch viel technischen Fortschritt nicht daran vorbei, die gesamte Wachstumsdynamik zu bremsen. Eine Wirtschaft, die die Kosten für Umweltschäden und ihre Regeneration tatsächlich in ihre Preise und Rechnungen mit aufnimmt, statt sie einfach zu verdrängen und künftigen Generationen zu überlassen, wird definitiv nicht mehr weiterwuchern können wie bisher.
Doch wie
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