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Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein

Titel: Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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letzten Jahrzehnte. Ein anständiger Manager tritt bescheiden auf und verzichtet auf grelle neureiche Symbole und Privilegien, wie einst der »ehrbare Kaufmann« etwa in der hanseatischen Tradition. Gefordert ist eine andere Anerkennungskultur, die neu bewertet, welches Verhalten sie achtet und welches sie ächtet.
    Wem dies zu vage und zu wenig erfolgversprechend erscheint, der möge sich daran erinnern, welche gewaltigen Mentalitätswandel die Bundesrepublik und mit ihr große Teile Westeuropas seit dem Zweiten Weltkrieg mitgemacht haben. Gar nicht zu sprechen von den an Systemwechsel gekoppelten kollektiven Gesinnungswandeln zwischen Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittem Reich. Aber auch ohne Systemwechsel unterschied sich die deutsche Mentalität der 1950er Jahre gravierend von der der 1970er und diese wiederum von jener der 1990er Jahre.
    Erfolgreich wird dieser Mentalitätswandel allerdings nur sein, wenn er vom Staat unterstützt und vorangetrieben wird. Um »anständig« zu wirtschaften, können nicht nur die Banken und Konzerne, sondern auch Staat und Privathaushalte nicht mehr so weitermachen wie bisher. Deutschlands Unternehmen sind alles in allem mehr als doppelt so hoch verschuldet wie unser Staat. Dessen Schulden belaufen sich (März 2010) auf 1 682 700 000 000 Euro, Tendenz weiterhin stark steigend. 14 Beider Zinsen, jene von Staat und Wirtschaft, zahlen die Bürger durch Steuern und durch die Verbraucherpreise. Und dieser Betrag, den ein durchschnittlicher deutscher Steuerzahler im Jahr für Staatszinsen, Wirtschaftszinsen und Privatzinsen ausgibt, liegt immerhin bei 9500 Euro.
    Kein Wunder, dass sich die Wut vieler Kritiker gegen das allgemeine Kreditwesen, auf das Zinssystem und die Banken richtet.
Die Abhängigkeit gegenüber den Banken wächst unausgesetzt, die Freiräume werden kleiner, und die Bankenmacht, Krise hin oder her, steigt und steigt. Die Zahl der Menschen, die in Deutschland vom Zinssystem profitieren, liegt unter zehn Prozent. Bei knapp zehn Prozent der Bevölkerung hält sich die Rechnung die Waage. Die Zahl der Zins-Verlierer aber liegt bei über achtzig Prozent. 15 Dass diese Entwicklung so nicht mehr weitergehen kann, ist klar. Doch was ist die Alternative?
    Angesichts solch gespenstischer Verhältnisse wäre es zum Beispiel nötig, viele Menschen vor sich selbst zu schützen. Bei abstrakten Vorgängen wie Geldgeschäften und Zinsen setzt unser steinzeitliches Vorstellungsvermögen leicht aus (vgl. Im Netz der Spinne. Was Geld mit Moral macht). Die Dinge sind so abstrakt, dass wir verdrängen, statt zu begreifen. Wenn wir eine gefundene Brieftasche an denjenigen zurückgeben, der sie verloren hat, stimuliert dies unser Belohnungssystem im limbischen System. Doch Menschen, die andere mit ihrer Computertastatur um Milliardenbeträge bringen, haben dabei ganz offensichtlich keine negativen Stimulationen im Zwischenhirn. Genau aus diesem Grund brauchen Bankengeschäfte keine lascheren, sondern strengere Regeln als andere Wirtschaftsvorgänge.
    Ein besonders erschreckendes Beispiel ist die flächendeckende Einführung von Kreditkarten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Was auf den ersten Blick einfach nur praktisch ist, erweist sich als eine Zeitbombe im Miniaturformat. Wer keine echten Scheine in der Hand hat, verliert sehr leicht das Gefühl für den Wert des Geldes. Bereits im Jahr 1990 hatten die US-AMERIKANISCHEN Kartennutzer einen Schuldenberg von 199 Milliarden Dollar angehäuft. 16 Das entspricht 3431 Dollar pro Kopf. Heute besitzt jeder US-Amerikaner im Durchschnitt zwölf Kreditkarten, und die Banken bewerben weiterhin mit greller bunter Werbung und scheinbar immer günstigeren Konditionen den Markt. Im Jahr 2007 betrug die Gesamtschuld der Kartennutzer bereits 961 Milliarden Dollar; eine Pro-Kopf-Verschuldung
von 10 678 Dollar. Fast sieben Prozent aller Kreditkarteninhaber können ihre Schulden definitiv nicht mehr bezahlen, nicht einmal mehr ihre monatliche Abrechnung.
    Dramatischer noch ist die Situation in Kanada. Der durchschnittliche Kanadier ist mit 80 000 kanadischen Dollar verschuldet. 17 Etwa die Hälfte der Kartennutzer sind nicht mehr in der Lage, die Ausgaben, die sie über ihre Kreditkarte tätigen, zu begleichen. Für viele Menschen in Kanada, in den USA und auch in Deutschland sind Kreditkarten Selbstvernichtungswerkzeuge, denen sie nicht gewachsen sind. Ähnlich wie bestimmte Lustund Spielhöllenterminals des Internets überfordert die Nutzung

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