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Die Kunst, nicht abzustumpfen

Die Kunst, nicht abzustumpfen

Titel: Die Kunst, nicht abzustumpfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Marks
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Atomwaffenarsenalen bereitstehen. Dabei sind die Vernichtungspotentiale von konventionellen, biologischen und chemischen Waffen noch nicht berücksichtigt; insofern stellt das hier vorgestellte Beispiel eine starke Verharmlosung der Hochrüstungs-Problematik dar. Die nachfolgend genannten Zahlen beruhen auf einer Aktualisierung durch die IPPNW von 2005.

    Die Übung setzt an der grundlegenden Frage an: Durch welche Medien bzw. Sinnesorgane werden Informationen über den Zustand der Welt (hier: Beispiel Atomwaffen) vermittelt bzw. verarbeitet und welches sind jeweils deren Auswirkungen? Drei verschiedene Formen der Vermittlungen seien nachfolgend vorgestellt:
    Version eins, Zahlen: Die Atomwaffenarsenale weltweit haben gegenwärtig eine Zerstörungskraft von etwa 7.500 Megatonnen TNT. 4 Zum Vergleich: Die gesamte Zerstörungskraft des Zweiten Weltkriegs entspricht schätzungsweise 3 Megatonnen TNT; dabei starben insgesamt ca. 55 Millionen Menschen. Auf jeden Menschen kommt heute somit etwa eine Tonne TNT; 200 Gramm reichen aus, einen Menschen zu töten. 300 Megatonnen würden ausreichen, alle mittleren und großen Städte der Welt zu vernichten.
    Version zwei, eine Graphik, in der diese Zahlenangaben visualisiert sind:

    Der Punkt in der Mitte steht für die Zerstörungskraft des gesamten Zweiten Weltkrieges, einschließlich der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki. Das Vernichtungspotenzial von zwei Quadraten würde ausreichen, um alle mittelgroßen und großen Städte der Welt auszulöschen. Alle Punkte zusammen stellen die Zerstörungskraft aller gegenwärtig verfügbaren Atomwaffen dar.
    Nun zur dritten Version, einer Hör-Übung: Da dies ein Lese-Buch und kein Hör-Buch ist, kann ich Ihnen die Übung leider nur schriftlich schildern; dennoch hoffe ich, dass Sie beim Lesen wenigstens eine kleine Vorstellung gewinnen können. Noch besser wäre es allerdings, wenn Sie diese Übung selber erleben könnten. Stellvertretend möchte ich Ihnen schildern, wie die Übung von einer Workshop-Teilnehmerin, Christiane T., erlebt wurde:
    »Der Workshop beginnt mit Kennenlern-Übungen, durch die ein vertrautes Klima in der Gruppe entsteht. Am zweiten Tag trägt uns Elvira, die Leiterin des Workshops, zunächst die Zahlen über die Atomwaffen vor und zeigt uns eine Folie, auf der diese Zahlen mit Punkten und Quadraten veranschaulicht sind. Anschließend bittet sie uns, uns bequem hinzusetzen, einige Male tief ein- und auszuatmen und die Augen zu schließen. Nach einigen Augenblicken sagt sie: ›Ich werde euch jetzt das Ausmaß der nuklearen Zerstörungskräfte durch drei Geräusche veranschaulichen. Zunächst werde ich die Zerstörungskraft des Zweiten Weltkrieges durch ein Geräusch symbolisieren: ein Metallkügelchen, das ich in einen Metalleimer fallen lasse.‹
    Stille. Dann ein kurzes, metallisches Geräusch, das in der Stille wie eine kleine Explosion wirkt. Elvira kommentiert: ›Dieses Geräusch steht für die Zerstörungskraft des gesamten Zweiten Weltkriegs. Dabei starben schätzungsweise 55 Millionen Menschen. Erinnert Euch an Bilder von diesem Krieg: von den Schlachtfeldern in Europa, in Afrika, in Asien und im Pazifik, Stalingrad, Dresden, Hiroshima … Die ganze Zerstörungskraft
dieses Krieges ist in diesem einen Geräusch dargestellt, das ich jetzt noch einmal wiederhole.‹ Kurz danach wird die Stille nochmals durch das scharfe Geräusch eines Kügelchens durchschnitten.
    Nach einer kurzen Pause fährt Elvira fort: ›Das folgende Geräusch steht für die Explosivkraft, die ausreichen könnte, alle mittleren und großen Städte der Welt zu vernichten. Wenn so viel Atombomben explodieren, würden alle diese Städte zerstört werden.‹ Eine Salve von metallischen Geräuschen schreckt uns auf, als die Workshopleiterin etliche Kügelchen in den Eimer fallen lässt.
    Nach einer weiteren kurzen Pause erläutert sie: ›Das folgende und letzte Geräusch symbolisiert die Zerstörungskraft, die heute in den Atomwaffenlagern aufgehäuft sind. So viel atomare Zerstörungskraft steht heute bereit.‹ Daraufhin beginnt ein wahres Trommelfeuer, als eine – wie es scheint – nicht enden wollende Zahl von Metallkügelchen in den Eimer fällt.
    Anfangs sehe ich vor meinem inneren Auge Bilder von leichenübersäten Schlachtfeldern in Russland, von den Feuerstürmen von Dresden, von Hiroshima … Meine Hände zittern, ich schwitze, während der schwere Regen von Metallkugeln weiter und immer weitergeht. Dann werde ich von

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