Die Kunst, nicht abzustumpfen
darauf an, dass jeder einzelne Mensch sich von dem, was »man« tut, ein Stückweit frei zu machen vermag. Gerade dann, wenn »man« – die große Mehrheit einer Gesellschaft – Werte vertritt und einen Lebensstil praktiziert, der die Erde stündlich der Klima-Katastrophe näherbringt. Auch dann, wenn die Herausforderung, die vor uns liegt, sehr groß erscheint, wie dies gegenwärtig der Fall ist (geht es doch um nicht weniger als einen kollektiven Lernprozess). Und selbst dann, wenn die Betreffende dabei als »Gutmensch« verhöhnt wird, wie dies gegenwärtig in Deutschland schnell geschehen kann.
Ich
Angesichts dieser Herausforderungen ist auf ein »man« wohl kaum zu hoffen. Aber auf wen dann? Kommt es auf das »Ich« an? Wenn ja: auf welches? Denn »das Ich« ist zunächst eine Abstraktion. Tatsächlich kann das Verhalten von Menschen durch ganz unterschiedliche Bedürfnisse bestimmt werden. Insofern gibt es sozusagen verschiedene Ausprägungen des »Ichs«. So unterscheidet der Psychologe Abraham Maslow (1991) fünf verschiedene Gruppen oder Stufen von Bedürfnissen:
Körperliche Existenzbedürfnisse wie die nach Atmung, Nahrung, Gesundheit, Schlaf, Wärme, Wohnraum, Kleidung, Bewegung.
Bedürfnisse nach Sicherheit wie z. B. nach Unterkunft, Schutz vor Gefahren, Recht und Ordnung, geregeltem Einkommen und Absicherung.
Soziale Bedürfnisse nach Zugehörigkeit zu Familie und Freunden, nach Partnerschaft, Liebe, Intimität, Kommunikation.
Bedürfnisse nach Anerkennung, z. B. durch Wertschätzung, Status, Respekt, Auszeichnungen, Lob, Wohlstand, Einfluss, Erfolge.
Das Bedürfnis nach Selbst-Verwirklichung, d. h. nach Individualität, Talententfaltung, Perfektion, Erleuchtung, Selbstverbesserung, Sinn.
Nach diesem Modell unterscheiden sich Menschen darin, durch welche Bedürfnisse ihr Denken und Verhalten vorwiegend motiviert wird. Allerdings können gesellschaftlich bedrohliche Situationen »bei den meisten Menschen voraussichtlich eine Regression von allen höheren Bedürfnissen auf das mächtigere Bedürfnis nach Sicherheit bewirken.« (Maslow 1991, 70).
Dieses Bedürfnis ist, wie Ulrich Grober beobachtet, in Deutschland (m. E. ist dies eine psychische Nachwirkung unserer Geschichte) ohnehin besonders stark ausgeprägt und wird durch Katastrophen-Meldungen immer noch mehr verstärkt. »Was passiert jedoch, wenn in Zeiten multipler Krisen und Katastrophen der Wunsch nach Sicherheit zur alles beherrschenden Triebkraft wird? Dann bleibt man auf der Stufe der bedingungslosen Sicherung der eigenen Existenz stehen. Die beschleunigte Anhäufung von materiellen Ressourcen dient dann vor allem dem Aufbau und immer perfekteren Ausbau einer Festung . Diese soll im Fall des großen Kollaps das Überleben sichern.« (Grober 2011, 63) Damit wird die Überfluss-Ökonomie immer weiter angetrieben.
Hinzu kommt, so Grober (2011, 62), eine »Gier, die uns zum »Immer mehr« treibt. Dieser Trieb ist unersättlich« und wird, meiner Einschätzung nach, auch von einem ungestillten Hunger nach Anerkennung motiviert, der unbewusst und ersatzweise durch den Konsum von Symbolen für Status, Wohlstand, Einfluss und Erfolg kompensiert wird, z. B. durch den Kauf wuchtiger Luxuslimousinen.
Somit sind es vorwiegend Bedürfnisse nach Sicherheit sowie
Anerkennung, Status, Wohlstand und Erfolg, die einer ökonomischen Wachstums-Dynamik zugrunde liegen, welche das Ökosystem Erde dem Kollaps immer näherbringt. Ein solches Ich, das nach Sicherheit und Anerkennung hungert, kann ich mir kaum als Hoffnungsträger vorstellen: Materielle Reichtümer sind durch Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Naturbewahrung kaum zu erringen, Erfolge kaum abzusehen. Die Alternative zum »man« sehe ich vielmehr in einem Handeln, das von dem Bedürfnis nach Selbst-Verwirklichung motiviert ist.
Selbst
Der Begriff des »Selbst« wurde vor allem von C. G. Jung tiefenpsychologisch gefüllt, allerdings in anderer Weise als in der Alltagssprache. Dort werden Ich und Selbst oft gleichbedeutend verwendet. Wenn z. B. von christlichen Kanzeln »Selbstlosigkeit« gepredigt wurde, war damit eigentlich Ich-Losigkeit gemeint: gewarnt wurde vor egoistischer Ich-Bezogenheit (was Martin Luther als Sünde des »In-sich-verkurvt-Seins« bezeichnete). Auch hinter mancher »Selbstverwirklichung« verbirgt sich nicht selten narzisstische »Ich-Verwirklichung«.
Im Unterschied dazu versteht Jung (1928, 195) das Selbst als »eine dem bewussten Ich übergeordnete
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